Montag, 23. Mai 2016

Unternehmensbewohner

Bild: Wikimedia Commons/John Oxley Library - Public Domain
Stellen wir uns vor, wir würden in eine neue Wohnung ziehen. Am Anfang wäre das eine Gelegenheit zum kreativen Austoben: Neue Farben, neue Bilder, neue Möbel. Nach einiger Zeit beruhigt sich das. Es muss nichts neues mehr gekauft werden, es wird aber noch optimiert: der Fernseher kommt an eine andere Wand, damit das Sonnenlicht nicht mehr auf ihm reflektiert, der Tisch wird mehr in die Mitte gerückt, die Blumenvase kommt in den anderen Raum. Auch das ist irgendwann vorbei, alles ist jetzt so wie es sein soll. Von jetzt an muss nichts mehr geändert werden, alles ist gut.

Einstellungen wie diese findet man nicht nur in der eigenen Wohnung sondern auch in der Arbeitswelt. Die Angestellten haben sich ihre Position erarbeitet, verdienen genug und sind glücklich. Das große Problem - diese Menschen wollen im Regelfall keine Veränderungen in ihrer Umgebung mehr. Da sie den gegenwärtigen Zustand als optimal empfinden sehen sie es nicht ein, warum man etwas anders machen oder etwas Neues ausprobieren sollte. Abgeleitet von dem Wohnungs-Beispiel nennt man diese Gruppe "Unternehmensbewohner". Sie lassen sich als zufrieden aber unmotiviert charakterisieren und machen in Deutschland etwa ein Viertel der Angestellten aus.

Für Firmen in einem sich stark ändernden Umfeld (vor allem in der IT) ist das hochproblematisch - wenn die Entwickler keine neuen Programmiersprachen mehr lernen wollen, oder wenn die Tester nur manuell und nicht automatisiert testen wollen, dann sieht die Zukunft düster aus. Es bleibt die Frage: wie bekommt man die Mitarbeiter aus ihrer verhängnisvollen Komfortzone wieder heraus? Die schlechte Nachricht: eine einfache Antwort darauf gibt es nicht. Die gute Nachricht: es gibt verschiedene Ansätze die man in Erwägung ziehen kann und die auch bereits erprobt sind.

Lösungsansatz 1: Fluktuation

Unternehmensbewohner treten erfahrungsgemäss besonders dort auf, wo Teams schon seit Jahren, mitunter sogar Jahrzehnten zusammenarbeiten. Neue Ideen und Blickwinkel fehlen, stattdessen entstehen die beschriebenen eingefahrenen Routinen. Wenn die vertikalen und horizontalen Karrierepfade mit Wechseln in andere Abteilungen verbunden werden, dann kann die notwendigen Anreize setzen, um die geistige Beweglichkeit zu erhalten.

Lösungsansatz 2: Abschaffung der "Wohnzimmer-Büros"

Wenn ein Büro mehr einer Wohnung als einem Arbeitsplatz ähnelt ist das ein starker Indikator für Unternehmensbewohner. Palmen, Kakteen, Goldfische, Sofas, Kühlschränke, Mikrowellen, Modelleisenbahnen und ähnliche Dinge können für sich genommen unproblematisch sein, wenn sie gleichzeitig auftreten geht jedoch irgendwann der Arbeitscharakter des Raums verloren. Und noch schlimmer als das: Arbeitszeit und Kreativität fließen irgendwann vor allem dorthin, und nicht mehr in den Job. Die "Wohnzimmereinrichtung" auf ein gesundes Mass zurückzufahren kann daher sehr sinnvoll sein.

Lösungsansatz 3: Gruppenbüros und Desk-Sharing

Eine Kombination aus zwei Ansätzen: Gruppenbüros in denen ein Team oder mehrere Teams zusammensitzen sind (so lange sie nicht zu groß werden) grundsätzlich eine gute Sache. Sie fördern Zusammenarbeit, erleichtern Kommunikation und bringen die Mitarbeiter näher zusammen. Auch Desk-Sharing hat bereits für sich genommen Vorteile. Statt immer an einem Platz zu sitzen kann man sich jeweils mit den Kollegen zusammensetzen mit denen man gerade an einer Aufgabe arbeitet. In Kombination sorgen sie darüber hinaus für eine physische und geistige Beweglichkeit, die Unternehmensbewohner-Einstellungen entgegenwirkt.

Lösungsansatz 4: Wissen und Verantwortung an die Mitarbeiter weitergeben

Ein häufiger Grund dafür, dass für die Mitarbeiter eine wohnliche Atmosphäre wichtiger wird als die Weiterentwicklung der Firma und der eigenen Person, ist die fehlende Kenntnis größerer Zusammenhänge. Es mag sich merkwürdig anhören, aber vielen Angestellten ist gar nicht klar warum Stillstand und fehlende Weiterentwicklung für das Unternehmen und für ihren Arbeitsplatz gefährlich sind. Wenn ihnen diese Zusammenhänge aufgezeigt werden und sie dazu noch den Freiraum und die Verantwortung erhaltn dem entgegenzuwirken, dann kann das zu erstaunlichen Verbesserungen führen.

Es gibt sicher noch zahlreiche weitere Möglichkeiten mit dem Typus des Unternehmensberaters umzugehen, und wie gesagt - nicht jede funktioniert überall. Auf jeden Fall ist es aber empfehlenswert bereits seiner Entstehung entgegenzuwirken. Wenn er einmal da ist entwickelt er mitunter erstaunliche Widerstandskräfte gegen jede Veränderung des Status Quo.

Related Articles