Dienstag, 6. November 2018

Prozessverbesserung alleine ist keine Lösung

Bild: Wikimedia Commons / Johannes Martin Conrad - CC BY 3.0
Kann sich noch jemand an den Spruch "pünktlich wie die Bundesbahn" erinnern? Lange ist es her, dass das der Normalfall war. Angesichts von Verspätungsquoten von 30 % allein im Fernverkehr versucht die Bahn AG gerade gegenzusteuern. Mit dem so genannten Deutschlandtakt sollen Züge besser aufeinander abgestimmt werden, mit weiteren Massnahmen soll das Ein- und Austeigen schneller und effizienter gemacht werden. Das Ziel: mehr Pünktlichkeit.

Um die Erwartungen von Anfang an zu dämpfen: pünktlich werden die Züge auf diesem Weg nicht werden. Ein bisschen werden die Verspätungen mit Sicherheit zurückgehen, zum grössten Teil aber bestehenbleiben. Denn so gut die Prozessverbesserungen auch sein mögen, dass Hauptproblem werden sie nicht lösen können - die veralteten und immer wieder ausfallenden technischen Systeme.

Man kennt es aus den Durchsagen am Bahnsteig. Weichenstörungen unterbrechen die Fahrt, Signalstörungen verhindern die Einfahrt in die Bahnhöfe, defekte Oberleitungen bringen Züge zum Stillstand, Waggons mit ausgefallenen Klimaanlagen müssen ausgetauscht werden, defekte Schranken dürfen nur im Schrittempo passiert werden - solange das alles nicht in den Griff bekommen wird kann auch der beste Prozess nicht helfen.

Die Parallelen zu IT-Projekten und -Abteilungen sind offensichtlich. Häufig wird die Einführung von Scrum oder Kanban mit grossen Hoffnungen verbunden, die dann an der veralteten Technik und Systemlandschaft scheitern. Computer haben zuwenig Diskspace, Test- und Entwicklungsumgebungen müssen manuell eingerichtet werden, Telefonkabel aus den 70er Jahren verlangsamen die Datenübertragung, etc. etc.

Wie beim Beispiel der Bahn heisst das nicht, dass Prozessverbesserungen nichts bringen. Starre Planungen und Bürokratie zu beseitigen ist immer eine Verbesserung. Ohne die begleitenden Modernisierungen von Software und Hardware wird ihre Wirksamkeit aber deutlich eingeschränkt bleiben. Erst durch eine Kombination dieser Faktoren kann es zum befreienden grossen Sprung nach vorne kommen.

Diese Themen anzusprechen kann in vielen Unternehmen zum Offenbarungseid führen: Agilität sei als Ansatz gewählt worden weil davon ausgegangen wurde, dass die Umstellung von Meetings und Rollen mit geringem Aufwand möglich ist, für darüber hinausgehende Modernisierung wäre aber kein Geld da. Das würde doch auch bestimmt ohne gehen, oder? Derartige Aussagen sind häufiger als man denken sollte.

Die Antwort darauf kann nur eine sein: Das kann man zwar so machen, aber dann sollte man seine Erwartungshaltungen deutlich herunterfahren.

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