Montag, 3. Juni 2019

'El Jefe', der Kunde

Bild: Wikimedia Commons / Er nun wieder - CC BY-SA 3.0
Einmal mehr ist es der Zufall durch den eine interessante Geschichte zu Stande kommt. Zu Besuch bei dem in Spanien lebenden Teil der Familie kam das Gespräch zufällig auf die Supermarktkette Mercadona, die in den letzten Jahrzehnten viele ihrer Konkurrenten verdrängt hat. Das wäre auf ein fortschrittliches Management-Konzept zurückzuführen, hiess es. Neugierig geworden nutzte ich später die Zeit am Flughafen für eine kurze Recherche, und tatsächlich - im Wall Street Journal, in El Pais und in Publikationen der Harvard Business School liess sich einiges über dieses Unternehmen finden was sich bemerkenswert anhört.

Eine der interessantesten Ideen ist die Hierarchie der verschiedenen Zielgruppen und Stakeholder die durch das Unternehmen bedient werden sollen. Der Wichtigkeit nach absteigend sind das der Kunde, die Angestellten, die Gesellschaft, die Lieferanten und die Eigentümer. Das ist bemerkenswert: nicht nur, dass der Kunde an der Spitze steht (das behaupten fast alle Firmen von sich), sondern auch das was danach kommt - Angestellte, Gesellschaft und Lieferanten nicht nur als Zielgruppe zu nennen sondern sie sogar über den Eigentümern einzuordnen ist etwas was ich noch nicht gehört habe.

Ungeachtet dessen scheint es so, dass auch versucht wird dem Anspruch der Kundenorientierung gerecht zu werden. Dazu gehört nicht nur freundliches, gut ausgebildetes Personal (kann ich aus eigener Anschauung bestätigen) sondern auch darüber hinausgehende Ansätze: das Management wird angehalten regelmässig auf der Verkaufsfläche mit Kunden zu sprechen, und nicht nur im sondern auch um die Supermärkte findet Marktforschung statt. Etwa durch Kundenmanager die in den umliegenden Cafes mit den Kunden über ihre gerade getätigten Einkäufe reden.

Apropos Personal: um die Wünsche des Kunden (intern "El Jefe" genannt) besser erkennen und umsetzen zu können sind die Teams der einzelnen Supermärkte so crossfunktional wie möglich. Das heisst nicht nur, dass sie (wie auch in Deutschland üblich) je nach Bedarf zwischen Kassieren, Reinigen und Einräumen wechseln können, sondern dass sie Fortbildungen in Warenkunde, Kundenansprache, Betriebswirtschaft und Logistik erhalten. Mit Hilfe dieses Wissens sind sie in ganz anderer Weise in der Lage Prozesse erkennen, beurteilen und optimieren zu können.

Diese Optimierungen finden schliesslich fast nie in Form von grossen Change-Programmen statt sondern durch viele, kleine, ständig durch Feedback verbesserte Schritte. Mal ist es die Einführung von Familienpackungen, mal die Reduktion von Verpackungsmüll (beides in Kooperation mit Lieferanten), an anderen Stellen werden Arbeitsschritte automatisiert (z.B. bei den Preisanzeigen), Beratungsangebote verbessert, Transportwege verkürzt oder Recyclingquoten erhöht.

Ein weiteres Beispiel dafür wo man lean und agile Praktiken finden kann. Nicht nur bei Google und Spotify sondern auch um die Ecke, im nächsten Supermarkt.

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