Freitag, 17. April 2020

Altsysteme (II)

Bild: Deutsche Fotothek / Eugen Nosko - CC BY-SA 3.0
Dass veraltete IT-Systeme aufgrund fehlender Funktionen, erschwerter Wartbarkeit und nur unter hohen Aufwänden machbarer Erweiterbarkeit ein Problem darstellen ist bekannt und durch Beispiele belegbar. Dass Anwendungen die vor Jahrzehnten in Betrieb genommen wurden trotzdem immer noch genutzt werden wird häufig damit begründet, dass sie wenigstens stabil laufen würden. Ein aktuelles Beispiel zeigt aber, dass das ein gefährlicher Trugschluss ist.

Wie verschiedene amerikanische Medien berichteten sind die Behörden mehrerer US-Staaten zur Zeit nicht in der Lage die Beiträge der Arbeitslosen-Unterstützung zu erstatten, darunter auch die von New York State, New Jersey und Connecticut, in deren Gebiet der zur Zeit besonders stark von Arbeitslosigkeit betroffene Grossraum New York mit über 20 Millionen Einwohnern liegt. Der Grund: die Erstattungssysteme sind mit Cobol programmiert, einer mehr als 60 Jahre alten (!) Programmiersprache, die heute kaum noch jemand beherrscht.

Dieser Zustand führt seit dem Ansteigen der Beschäftigungslosigkeit auf Rekordniveau zu den erwartbaren Problemen. Die Systeme brechen unter der ungewohnten Last zusammen, es zeigt sich, dass die Frontends nicht mit modernen Endgeräten kompatibel sind und der gestiegene Bedarf an Wartungs- und Reparatur-Tätigkeiten kann vom bisherigen Personal nicht mehr bewältigt werden. Der Notstand ist mittlerweile so gross geworden, dass COBOL-Entwickler in öffentlichen Aufrufen gebeten werden sich zu melden und zu helfen.



Was sich hier bemerkbar macht ist, dass es sich bei der Ablösung von Altsystemen ähnlich verhält wie beim Abschluss von Versicherungen. Solange es keine Probleme gibt scheint es (für unreflektierte Menschen) so als wäre es eine gute Idee Geld einzusparen indem auf sie verzichtet wird. Sobald der Krisen- oder Schadensfall eintritt fällt ihr Fehlen dann aber um so stärker auf. Es zeigt sich dann, dass die scheinbare Stabilität in der Regel nur darauf beruht, dass lange Zeit einfach keine Änderungen vorgenommen wurden durch die die in Wirklichkeit gegebene Instabilität offensichtlich geworden wäre.

Das Problem: da eine Systemablösung schwierig ist und lange dauert kann sie im Krisenfall nicht schnell nachgeholt werden. Sie braucht Zeit. Und währenddessen sind nicht nur die IT sondern auch die von ihr abhängige Organisation gelähmt. Welche schwerwiegenden und zum Teil existenzbedrohenden Folgen das haben kann lässt sich zur Zeit in Amerika beobachten.

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