Montag, 20. April 2020

Die Probleme des Home Office

Bild: Kaboompics / Karolina Grabowska - CC0 1.0
Man soll jede Krise auch als Chance sehen, heisst es in einem alten chinesischen Sprichwort. Ganz in diesem Sinn wird das erzwungene Homeoffice während der Corona-Pandemie von New Work-Befürwortern auch mit der Hoffnung willkommengeheissen, dass jetzt endlich alle die Vorteile des Arbeitens von zu Hause kennenlernen und nicht mehr vermissen wollen. Aber wird es wirklich so kommen? Man sollte nicht zu optimistisch sein.

Der offensichtlichste Grund der dagegen spricht, dass sich das Homeoffice dauerhaft durchsetzen wird ist die Infrastruktur. Anders als z.B. in den Niederlanden oder Südkorea ist die in Deutschland geprägt von Kupferkabeln und Funklöchern. Sowohl die Übertragung grösserer Datenmengen als auch die Durchführung von Remote-Meetings sind dadurch oft schwer bis unmöglich. Vor allem auf dem Land aber auch in erstaunlich vielen Städten ist man zu Hause praktisch von der Zusammenarbeit mit Arbeitskollegen, Kunden und Geschäftspartnern abgeschnitten.

Der zweitwichtigste, dafür aber am meisten unterschätzte, ist der, dass die Homeoffice-Fähigkeit stark vom sozialen Status abhängt. Berufe in den verschiedenen Niedriglohnsektoren (Telefonisten, Journalisten, Werbetexter, Sicherheitskräfte, Klicktester) haben häufig Wohnungen in denen ein gewisser Geräuschpegel herrscht (v.A. Verkehrslärm) oder die so klein oder so ungünstig geschnitten sind, dass ergonomische Arbeitsplätze sich hier nur schlecht einrichten lassen. Ist der Job ein freiberuflicher gibt es das zusätzliche Problem, dass die technische Ausrüstung oft nicht finanzierbar ist.

Selbst bei besser bezahlten Berufen kommt dazu, dass Heimarbeit vor allem dann funktioniert wenn man alleine und ungestört zu Hause ist. Arbeitet auch der Ehepartner aus der gemeinsamen Wohnung drohen die Telefonate und Meetings des jeweils anderen die eigenen zu überlagern oder die konzentrierten Ruhephasen zu stören. Und wenn sich ausserdem noch Kinder oder Haustiere in der Wohnung befinden kann von regelmässigen Unterbrechungen fest ausgegangen werden.

Sobald es um Berufe geht in denen mit sensiblen Daten gearbeitet wird tauchen noch Themen wie Datenschutz und Datensicherheit auf. Das beschränkt sich nicht nur auf technische Aspekte wie VPN oder Intranet-Zugriffe sondern hat erneut eine soziale Dimension: durch geöffnete Fenster und dünne Türen kann bereits mehr nach draussen dringen als man denkt, von den Kindern die Freunden und Mitschülern unbedacht von zu Hause erzählen ganz zu schweigen.

All diese Aspekte des Home Office sind bereits für sich genommen problematisch genug, dennoch muss man sich bewusst machen, dass sie nur an der Oberfläche kratzen. Bei genauerer Betrachtung zeigen sich noch weitere schwerwiegende Schwierigkeiten wie der Verlust von Reaktionsgeschwindigkeit, Produktivität, Kommunikations-Qualität und sozialem Zusammenhalt (mehr dazu hier und hier). Zusammengenommen tragen alle diese Punkte dazu bei, dass viele Menschen und Firmen die Heimarbeit so schnell wie möglich wieder gegen das Büro eintauschen werden. Nicht weil New Work schlecht ist, sondern weil Home Office Voraussetzungen erfordert die oft nicht gegeben sind.

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