Freitag, 18. Juni 2021

Der agile Virus

Grafik: Pixabay / Alexandra Koch - Lizenz

Eine Metapher die im Umfeld agiler Arbeitsweisen immer wieder benutzt wird ist die des so genannten Virus (z.B. hier, hier und hier). Sicherlich eine nicht ganz unproblematische Begriffswahl, (alleine weil aus ihr nicht sofort hervorgeht, dass sie positiv gemeint ist) auf jeden Fall aber eine die bei näherer Betrachtung einige Eigenheiten agiler Transformationen aufzeigen kann. Welche das sind? Die Folgenden:


Zunächst das Offensichtliche: genau wie der Virus Körperzellen infizieren und umprogrammieren kann, können agile Enthusiasten ihre Teams erstaunlich weitgehend in Richtung neue Arbeitsweisen umwandeln. Zum Teil auf dem offiziellen Weg (z.B. durch die Einführung von Scrum), zum Teil aber auch inoffiziell und zunächst unbemerkt, etwa dadurch, dass zu Beginn nur die Arbeit visualisiert wird oder durch die Etablierung regelmässiger Lessons Learned-Termine. Beides kann Eigendynamiken auslösen.


Eine weitere Eigenschaft von Viren ist es, dass die Zellen in die sie sich begeben haben nicht nur intern anders funktionieren als vorher, sondern dass sie auch neue Viren produzieren, die dann wiederum andere Zellen verändern. Auch hier ist die Analogie offensichtlich. Wer schon einmal in einem agil arbeitenden Team gute Erfahrungen gemacht hat wird wenn er versetzt wird versuchen die hier gelernten Praktiken mitzunehmen und sie auch im neuen Team einzusetzen.


Auch die Reaktionen der jeweiligen Umgebung weisen Parallelen auf. Genau wie das Immunsystem des Körpers versucht erkannte Viren auszuschalten versuchen oft auch die "Immunsysteme von Organisationen" die durch die Agilität entstehenden Veränderungen einzudämmen, zum Beispiel durch Standardisierung, Regulierung oder das Entfernen von als riskant wahrgenommenen Elementen (wie den "zu grossen" Entscheidungsspielräumen der Teams).


Die Reaktion eines Virus auf ein erstarkendes Immunsystem ist schliesslich, dass es durch Mutation so genannte "Fluchtvarianen" ausbildet, die so neu sind, dass sie zunächst nicht erkannt werden. Die Entsprechung in der Welt der Agilität wäre eine Hinwendung agiler Teams zu neuen Frameworks wie Popcorn oder Fast, sobald die bestehenden (meistens Scrum und Kanban) so stark reguliert wurden, dass sie ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr erfüllen können.


Wie zu Beginn gesagt, ganz unproblematisch ist die Metapher des agilen Virus nicht, sie hilft aber dabei, agile Transitionsvorhaben aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Und um zuletzt eine Frage zu beantworten die mir ein Manager tatsächlich einmal gestellt hat: nein, eine wirksame Impfung dagegen gibt es nicht.

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