Donnerstag, 10. Mai 2018

Minimum Work in Progress

Bild: Flickr / Vic - CC BY 2.0
Jeder der sich etwas mit den Themen Kanban oder Lean beschäftigt hat dürfte vom Konzept des Limited WIP (Limited Work in Progress) bereits gehört haben. Es ist von entscheidender Bedeutung wenn es darum geht Durchlaufzeiten zu erhöhen und Störungen des Arbeitsflusses zu vermeiden. WIP-Limits gelten als eines der zentralen Erkennungsmerkmale von Kanban-Systemen, und doch wird praktisch immer nur eine ihrer möglichen Dimensionen betrachtet, die andere wird weitgehend ignoriert.

Die überall bekannte Dimension, die oft auch mit dem generellen Begriff des Limited WIP gleichgesetzt wird ist die des Maximum Work in Progress. Diese Obergrenze und ihren Sinn näher zu betrachten wäre ein Thema für sich, verkürzt gesagt verhindert sie Multitasking und trägt dazu bei, dass Arbeit nicht unkontrolliert einfliessen und sich irgendwo im System stauen kann. Auch für sich alleine erbringt sie einen Mehrwert, kann aber nur einem Teil der möglichen Fehlentwicklungen auffangen.

Was durch eine WIP-Obergrenze nur eingeschränkt reguliert werden kann ist die Gefahr, dass irgendwo im System Leerlauf entsteht. Die tritt unter anderem dann auf, wenn zeitweise alle verfügbaren Kräfte auf eine einzige Stelle des Wertstroms konzentriert werden, etwa auf das Releasen. Wenn infolgedessen die Arbeit in einem früheren Abschnitt (etwa der Software-Entwicklung) vorübergehend eingestellt wird, kann es sein, dass ein mittlerer Teil (z.B. die Qualitätssicherung) plötzlich nichts mehr hat was er verarbeiten kann. Bis von weiter vorne neue Zwischenergebnisse kommen herrscht dann an dieser Stelle Stillstand.

Ein Mittel um einen solchen kostspieligen Leerlauf zu verhindern (auch im Stillstand müssen Gehälter bezahlt werden), ist die Einrichtung weiterer WIP Limits, nur in diesem Fall an der Untergrenze. Ein solches Minimum Work in Progress sorgt dafür, dass bei ihrem Erreichen sofort neue Arbeit nachgezogen werden muss, selbst wenn das auf den ersten Blick nicht dringend erscheint. Die nachfolgende Station ist dadurch ebenfalls immer in der Lage Arbeit nachzuziehen sobald sie freie Kapazitäten hat.

An dieser Stelle muss auch klar sein, dass ein Minimum WIP nicht nur Probleme lösen sondern sie im schlimmsten Fall sogar erzeugen kann. Wenn es dazu führt, dass einer oder mehrere Abschnitte eines Produktionsprozesses zu 100 Prozent ausgelastet sind, sind mitunter verstopfte Warteschlangen die Folge. Optimalerweise sorgt es daher nicht nur dafür, dass jederzeit Arbeit nachgezogen werden kann, sondern es lässt auch Spielraum für neue, ungeplante Arbeit. Minimum WIP und Maximum WIP sollten nicht gleich groß sein, sondern immer einen Korridor dazwischen freilassen.

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