One way Door und Two way Door-Entscheidungen
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Nicht auf ein Vorgehen festgelegt zu sein sondern sich bei Bedarf schnell umentscheiden zu können ist einer der Kernaspekte von Agilität. Das setzt allerdings einen Sachverhalt voraus über den eher selten gesprochen wird: den, dass bereits getroffene Entscheidungen überhaupt veränderbar sind. Ist das nicht der Fall hat es tiefgreifende Folgen, sowohl auf das was derartige Entscheidungen bewirken als auch darauf wie sie vorbereitet werden müssen.
Im Business-Englisch spricht man in diesem Zusammenhang von "One way Door-Entscheidungen" und "Two way Door-Entscheidungen". Beim zweiten Typ kann man wieder zum Zustand vor der Entscheidung zurückgehen und eine andere treffen. Ein Beispiel dafür wäre die Frage wie ein Gebäude genutzt werden soll. Beim ersten Typ ist das nicht möglich, die Entscheidungen sind (in mindestens einer ihrer Optionen) endgültig. Ein Beispiel dafür wäre die Frage ob ein Gebäude abgerissen werden soll.
Im Umgang mit diesen beiden Entscheidungstypen führt der erste, nicht reversible, in der Regel zu deutlich höheren Vorbereitungs-Aufwänden und deutlich längerer Vorlaufzeit, da Korrekturmassnahmen nachher nicht mehr möglich sind. Umgekehrt (und das wird häufig vergessen) kann der zweite, bei Bedarf wieder umkehrbare, Typ auch mit wenig Aufwand und Vorlaufzeit getroffen werden, schliesslich ist er ja korrigierbar. Popularisiert wurde diese Unterscheidung durch den Amazon-CEO Jeff Bezos.
Some decisions are consequential and irreversible or nearly irreversible – one-way doors – and these decisions must be made methodically, carefully, slowly, with great deliberation and consultation. If you walk through and don’t like what you see on the other side, you can’t get back to where you were before. We can call these Type 1 decisions. But most decisions aren’t like that – they are changeable, reversible – they’re two-way doors. If you’ve made a suboptimal Type 2 decision, you don’t have to live with the consequences for that long. You can reopen the door and go back through. Type 2 decisions can and should be made quickly by high judgment individuals or small groups.
Selbst wenn er den Begriff hier nicht benutzt, das was Bezos als "Two way Door-Entscheidung" beschreibt ist Teil der agilen Vorgehensmodelle. Statt nach einer möglichst perfekten Lösung suchen zu müssen (was mitunter gar nicht machbar ist) kann in Kauf genommen werden danebenzuliegen, schliesslich kann später noch reagiert und korrigiert werden. Aber umgekehrt betrachtet - bedeutet das, dass es andere (One way Door-)Entscheidungen gibt, für die Agilität ungeeignet ist?
Die Antwort darauf ist ein Klassiker: Ja, aber. Ja, es gibt nicht rückgängig machbare Entscheidungen, deren Tragweite so gross ist, dass sie besser sehr gründlich vorbereitet werden sollten. Aber dass diese Entscheidungen eine derartige Natur haben ist in einem Grossteil der Fälle kein Naturgesetz. Bei näherer Betrachtung liessen sich viele dieser Einweg-Türen auch in beide Richtungen benutzen oder so umbauen, dass das zukünftig möglich ist.
Der offensichtliche dieser Fälle ist der erste. Ein grosser Teil der Entscheidungen die in grossen Organisationen nicht reversibel ist, ist es nur deshalb nicht, weil irgendeine Genehmigung fehlt. Das kann die Erlaubnis eines uneinsichtigen Vorgesetzen sein, sehr häufig ist es aber lediglich die fehlende Berechtigung in irgendeinem Tool einen abgeschlossenen Vorgang wieder zu editieren1. Hier kann alleine das Erteilen dieser Berechtigung die Entscheidung umkehrbar machen.
Weniger offensichtlich ist der zweite Fall. Viele Entscheidungen können durch geändertes Prozess- oder System-Design von One way Door-Entscheidungen zu Two way Door-Entscheidungen werden. Das kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass Budgets nachträglich anpassbar gemacht werden oder dadurch, dass Software-Anwendungen modularisiert werden, so dass Änderungen nicht mehr weitreichende Auswirkungen auf alle Benutzer haben müssen.
Derartige Umbauten führen aber in der Regel zu einem Rückgang von Detail-Kontrolle oder sie kosten Geld, weshalb viele grosse Organisationen sie (bewusst oder unbewusst) scheuen. Sie zu unterlassen führt dann zu One way Door-Entscheidungen, auch an den Stellen an denen es dafür eigentlich keine Notwendigkeit gibt. Und das hat deutlich spürbare negative Folgen, die auch bereits von Jeff Bezos in seinem oben erwähnten Text beschrieben wurden.
As organizations get larger, there seems to be a tendency to use the heavy-weight Type 1 decision-making process on most decisions, including many Type 2 decisions. The end result of this is slowness, unthoughtful risk aversion, failure to experiment sufficiently, and consequently diminished invention.1 We’ll have to figure out how to fight that tendency.
Aus einer "agilen Perspektive" betrachtet bedeutet das, dass sich die agilen Vorgehensmodelle keineswegs auf die Two way Door-Entscheidungen beschränken sollten. Sie sollten auch die One way -Entscheidungen angehen, mit dem Ziel sie so zu verändern, dass sie ihre Einwegartigkeit verlieren.