Montag, 24. April 2023

Dark Constraints

Bild: Unsplask / Jan Baborák - Lizenz

Egal ob es um Produkt-, Organisations- oder Personalentwicklung geht, jedem, der eines dieser Vorhaben angeht, muss bewusst sein, dass ihnen Begrenzungen (englisch: Constraints) gegeben sind. Das können ganz schlicht Budget-Begrenzungen sein, aber auch Grenzen der zulässigen Selbstorganisation. Auch Abhängigkeiten zu anderen Teams gehören dazu, ggf. sogar solche zum Wetter oder zu Jahreszeiten (Stichwort Weihnanchtsgeschäft).


Die Gemeinsamkeit all dieser Constraints ist, dass sie bekannt und erkennbar sind, in den meisten Fällen sogar dokumentiert. Dass das nicht selbstverständlich ist, kann man am Beispiel von anderen sehen, die zwar existieren und eine Wirkung haben, aber bestenfalls einen halboffiziellen Status haben und in manchen Fällen sogar überhaupt nicht thematisiert werden, so dass es eine gewisse Zeit dauern kann bevor man bemerkt, dass sie da sind.


Ein Beispiel für diese unsichtbaren Begrenzungen ist der Grad an Perfektionismus, der in der Organisation verbreitet ist. Ist er hoch, werden viele neue Ideen und Konzepte selbst dann nicht freigegeben und noch "fertig entwickelt" werden, wenn sie schon vorher vorführbar gewesen wären. Umgekehrt kann ein niedriger Grad an Perfektionismus dazu führen, dass letzte Entwicklungsschritte fast immer ausgelassen werden, da das Ergebnis ja "gut genug für den Moment" ist.


Auch der Grad an vorhandenem Vertrauen kann eine derartige Begrenzung sein, vor allem wenn es um Veränderungsvorhaben oder Konfliktklärungen geht. Weitere Beispiele wären Risiko-Affinität oder -Aversion, das (Nicht-)Vorhandensein von Hierarchiegläubigkeit, die grundsätzliche (Nicht-)Offenheit für Neues oder das Ausmass der gewohnheitsmässigen Verknüpfung von Pausen oder Tätigkeits-Durchführungen mit bestimmten Uhrzeiten oder Wochentagen.


Dave Snowden hat für diese Art von Begrenzungen den Begriff der Dark Constraints erfunden. Gemeint ist damit nicht dark (dunkel) im Sinn von böse sondern eher im Sinn von "im Dunkeln liegend". Wenn man sie kennt und weiss wo sie sind, kann man mit ihnen umgehen, wenn nicht wird man zu Beginn nicht merken, dass sie da sind, um dann irgendwann in einem ungünstigen Moment über sie zu stolpern, im Zweifel gerade dann, wenn man es am wenigsten gebrauchen kann.


Bei einer Bestandsaufnahme am Anfang eines Produkt-, Organisations- oder Personalentwicklungs-Vorhabens sollte die Suche nach Dark Constraints daher ein wesentlicher Punkt sein. Das ist nicht immer einfach (selbst den von ihnen Betroffenen ist die Existenz dieser Beschränkungen nicht immer bewusst), macht aber vieles, was später kommt, einfacher und nachvollziehbarer. Es ist also gut investierte Zeit.

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