Montag, 29. Oktober 2018

Der rotierende Scrum Master

Bild: Pixabay/MoreLight - Lizenz
Ein Phänomen das man in manchen Unternehmen beobachten kann ist der "rotierende Scrum Master". Die Rolle ist in diesem Fall nicht fest mit einer Person besetzt sondern wird in jedem Sprint von einem anderen Teammitglied wahrgenommen. Für die Dauer dieser Zeit arbeitet diese Person nicht an der Produktentwicklung mit sondern unterstützt das Team und beseitigt Impediments. Da eine solche Konstellation fast immer kontrovers diskutiert wird, lohnt es sich, einen genaueren Blick darauf zu werfen.

Zunächst die naheliegendste Frage: ist eine Rotation im Rahmen der Methodik überhaupt zulässig? Die Antwort: implizit ja. Der Scrum Guide definiert zwar die drei Rollen des Product Owners, des Scrum Masters und des Teams, legt aber nicht fest, dass es immer die selbe Person ist die sie besetzen muss. So lange alle Rollen besetzt sind ist den Formalien genüge getan.

Es gibt auch gute Gründe für ein Wechseln der Rolle zwischen den Teammitgliedern. Dadurch dass sie früher oder später von jedem ausgeübt wird liegt die Verantwortung für Prozess und Methodik bei allen und nicht nur bei einem. Gleichzeitig steigt auch die Ausfallsicherheit - ein Urlaub oder eine Krankheit des Scrum Masters lässt keine Lücke entstehen, da alle anderen in der Rolle geübt sind und sie übernehmen können.

In vielen Fällen kommt noch dazu, dass sich kein Teammitglied findet, das dauerhaft seinen bisherigen Job aufgeben möchte. Selbst wenn die Sinnhaftigkeit eines Scrum Masters eingesehen und hochgehalten wird finden viele Menschen in der Produktentwicklung eine wesentlich grössere Erfüllung. Muss das nur vorübergehend aufgegeben werden kann das die Besetzung deutlich einfacher machen.

Auf der anderen Seite gibt es auch Gegenargumente. Das naheliegendste ist, dass die Beschäftigung mit Methodik, Moderation, Coaching, etc. erstaunlich viel Zeit in Anspruch nehmen kann, und zwar nicht nur in der Durchführung sondern auch im Lernen, Weiterbilden, Reflektieren und Perfektionieren. Wird das nicht auch dann vorangetrieben wenn die Rolle gerade nicht ausgeübt wird  kommt es zu kurz um wirksam zu sein (und damit stellt sich auch die Frage nach der dafür verfügbaren Zeit).

Ebenfalls nicht zu vernachlässigen ist, dass durch eine Rotation Neutralität verloren geht. Wer bestimmte Entscheidungen der Produktstrategie oder -umsetzung (mit)verantwortet hat wird sich schwer tun Konflikte zu diesen Themen unbefangen zu moderieren. Schlimmstenfalls wird er selbst als Teil einer Konfliktpartei gesehen und nicht als Vermittler akzeptiert. Um das zu vermeiden ist eine hohe Konflikt- und Meetingkultur aller Beteiligten nötig.

Zuletzt ist es in grösseren Organisationen meistens so, dass die Einheiten und Personen ausserhalb des Scrum Teams sich einen festen Ansprechpartner wünschen. Ist dieser nicht gegeben kann ggf. das Beziehungs- und Vertrauensnetzwerk nicht entstehen, das zur schnellen und unkomplizierten Beseitigung von Impediments nötig ist. Auch das oft praktizierte Geben, Nehmen und Verrechnen von Hilfen und Gefälligkeiten wird schwerer.

Eine immer richtige Entscheidung für oder gegen einen rotierenden Scrum Master kann es aus den genannten Gründen nicht geben, wohl aber eine Entscheidungshilfe: diese Konstellation wird vor allem da funktionieren wo sowohl das Scrum Team als auch die umgebende Organisation Scrum samt des dazugehörenden Mindset sehr gut verstanden haben und es aus intrinsischer Motivation heraus befolgen. Da wo das (noch) nicht gegeben ist kann eine dauerhafte Rollenbesetzung mehr Sinn machen.

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