Freitag, 3. April 2020

Dezentrale Krisenbekämpfung

Grafik: Pixabay / Geralt - Lizenz
Im Rahmen des gegenwärtigen Coronavirus-Ausbruchs gibt es eine Forderung die immer wieder auftaucht: die nach weniger Föderalismus und einer stärkeren Zentralregierung. Im ersten Moment scheint es auch naheliegend - je weniger Abstimmungen nötig sind, desto schneller kann auf Herausforderungen reagiert werden. Bei näherer Betrachtung differenziert sich das Bild aber, gerade am Beispiel der Krankheitsbekämpfung kann man die Vorteile dezentraler Entscheidungssysteme erkennen. Schauen wir es uns näher an.

Dezentrale Systeme ermöglichen die parallele Erprobung verschiedener Lösungsstrategien

Das eigentlich Naheliegendste: bei Krisen die ohne historische Vergleichsfälle sind müssen verschiedene Vorgehen erprobt werden um herauszufinden welche besser geeignet sind und welche nicht. So geht das aktuell am stärksten befürwortete "Flatten the Curve"-Vorgehen wesentlich auf den Vergleich der unterschiedlichen Massnahmen zurück mit denen amerikanische Städte 1918/1919 die Spanische Grippe bekämpft haben. Ähnliches dürfte für die verschiedenen Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus in Deutschland gelten, erst rückwirkend wird sich zeigen ob es Ausgangssperren, Betretungsverbote oder Kontaktverbote gewesen sind die am wirksamsten waren.

In dezentralen Systemen können die Massnahmen besser an lokale Probleme angepasst werden

Eine verbreitete Argumentation ist, dass davon ausgegangen werden könne, dass sich Regierungen verantwortungsvoll verhalten und die "einzig richtigen" Massnahmen auswählen würden. Die Realität widerlegt das leider. Egal ob in Italien, in Frankreich oder in Grossbritannien - die jeweiligen Regierungen haben hier schwere Falschentscheidungen getroffen, die unter anderem deshalb so verheerend waren weil durch sie Massnahmen flächendeckend ausgerollt werden sollten die nur unter bestimmten Voraussetzungen hilfreich gewesen wären, unter anderen aber Schaden anrichteten. Als Gegenbeispiel kann Deutschland dienen, wo die Reaktionen auf die Verbreitung des Virus von Beginn an den lokalen Gegebenheiten angepasst waren, was vor Ort zu Erfolgen führte.

Dezentrale Systeme können schneller reagieren

Ein Gegenargument zu der häufigen Annahme, dass zentralisierte Systeme eine höhere Reaktionsfähigkeit hätten. Tatsächlich ist es so, dass die Konzentration von Entscheidungsbefugnissen in der Regel zu Flaschenhals-Effekten führt. In der Theorie kann zwar schnell reagiert werden, da sich vor der Entscheidungsstelle aber schnell ein Stau bildet dauert im Endeffekt alles länger. Auch hier können Beispiele genannt werden: auf der einen Seite Grossbritannien mit seinem langsam reagierenden nationalen Gesundheitssystem und Japan, dessen zentralisiertes Vorgehen als "Zugentgleisung in Zeitlupe" bezeichnet wurde, auf der anderen Seite nochmal Deutschland, wo lokale Behörden nicht auf Genehmigungen warten mussten sondern schon früh mit Tests und Eindämmungen beginnen konnten.

In dezentralen Systemen können Fehlentscheidungen besser ausgeglichen werden

Letzten Endes die berühmten Checks and Balances. In Ländern wie China und dem Iran wurden die Krankheitsfälle von den Regierungen vertuscht und kleingeredet, mit desaströsen Auswirkungen und tausenden Toten. Auch in der westlichen Welt gibt es leider ähnliche politische Entscheidungen, hier können sie aber ausgeglichen werden. In den USA, Mexiko und Brasilien sind die Relativierungen und die Tatenlosigkeit der jeweiligen Bundesregierungen durch Massnahmen der einzelnen Bundesstaaten ausgeglichen worden, wordurch die Ausbrüche abgeschwächt werden konnten.

Mit etwas mehr Recherche würden sich noch weitere Aspekte finden lassen, die zentrale Erkenntnis sollte aber klar sein - dezentrale Systeme haben in der Krisenbekämfung klare Vorteile.

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