Dienstag, 14. April 2020

Maslow's Hammer

Bild: Pixabay / Mr. Ninko - Lizenz
"Ich glaube, es ist verlockend, wenn das einzige Werkzeug, das man hat, ein Hammer ist, alles zu behandeln, als ob es ein Nagel wäre." Dieses in den 60er Jahren entstandene Zitat des amerikanischen Psychologen Abraham Maslow (bzw. seine Kurzform "Wer einen Hammer hat sieht in jedem Problem einen Nagel") dürfte mittlerweile weltberühmt sein. Es beschreibt die auch als "Law of the Instrument" bekannte Neigung, einmal erfolgreiche Vorgehen immer wieder anzuwenden - und zwar selbst dann wenn gar nicht klar ist ob es auch in diesem Fall Sinn macht.

Ein prominentes Beispiel für Maslow's Hammer ereignete sich in den letzten Tagen: Jeff Sutherland, einer der Begründer von Scrum, veröffentlichte bei Twitter diese (mittlerweile wieder gelöschte) Aussage:


Passend zum Twice the Value-Versprechen von Scrum unterstellte er also einem (angeblich) nach Scrum arbeitenden Forschungsinstitut die doppelte Leistungsfähigkeit im Vergleich zu anderen Einrichtungen. Bemerkenswert ist aber der mittlere Teil der Aussage. In ihm wird die vermeintlich geringere Leistungsfähigkeit der anderen Einrichtungen begründet mit "because they are not doing Scrum and unable to function". Mit anderen Worten: wenn es nicht Scrum ist funktioniert es nicht. Starker Tobak. Und grober Unfug!1

Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Sutherland ist ein hochintelligenter Mensch, der ein weltweit geschätzter Experte für Organsationsformen und Prozesse ist. Dass er sich trotzdem derartig versteigt macht diesen Vorfall zu einem guten Beispiel für den Hintergründ von Maslow's Hammer. Der besteht nämlich keineswegs darin, dass es dem der ihn anwendet an grundsätzlichem Verständnis fehlt (selbst wenn das in Einzelfällen so sein kann), es ist komplizierter als das.

Bei Maslow's Hammer handelt es sich um ein Phänomen das in der Psychologie als Kognitive Verzerrung, bzw. Cognitive Bias bezeichnet wird. Dieses spielt sich unterbewusst ab und täuscht dem Betroffenen eine derartige Schlüssigkeit und Offensichtlichkeit vor, dass ein Hinterfragen dieser scheinbaren Tatsachen nicht mehr stattfindet. Als Folge dessen lässt das Bewusstsein diese Falschannahmen ungehindert passieren und gibt sie an die Umgebung weiter. Genau das dürfte hier passiert sein.

Als Ursache kommt eine ganze Reihe möglicher Faktoren zum Tragen. Häufig sind Bestätigungsfehler (die Neigung, Informationen so zu interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen erfüllen), Professionelle Deformation (die Neigung eine berufsbedingte Perspektive über ihren Geltungsbereich hinaus anzuwenden), Korrelations-Fehlschluss (die Annahme, dass gemeinsam auftretende Phänomene voneinander abhängen) und Blind Spot Bias (die Negierung der Möglichkeit nicht objektiv zu sein), es gibt aber unzählige weitere.

Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie klar erkennbar sind, sobald man die eigenen Standpunkte ernsthaft auf sie überprüft (was sowohl aufgrund von Selbstreflektion als auch aufgrund einer externen Intervention geschehen kann). Mit ein bisschen Selbstüberwindung kann Maslow's Hammer dann zurückgenommen werden, oder (wie in diesem Fall) der Tweet gelöscht.



1Scrum ist ein weit verbreiteter, zigtausendfach erfolgreicher und seit Jahrzenten optimierter Ansatz. Aber weder ist es der einzig richtige noch der grundsätzlich überlegene Weg

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