Donnerstag, 19. März 2015

Wo (und warum) der Ruf von Scrum ruiniert ist

Bild: Pixabay / Geralt - Lizenz
Über die wirklich großartige Agile Cologne gestern könnte ich seitenweise schreiben. Stylische Location, nette Leute, interessante Themen, kleine Polemiken, großartige Organisation.

Als eines unter vielen Highlights würde ich die Session zu "Scrum im nicht-agilen Konzernumfeld" hervorheben, da sie sich genau um das Thema gedreht hat mit dem ich die letzten Jahre unterwegs gewesen bin. Die (aus meiner Sicht) zentrale These: In vielen Konzernen ist der Begriff "Scrum" mittlerweile verbrannt und diskreditiert. Die Gründe:
  • (Traditionelle) Konzernstrukturen sind mit agilem Vorgehen häufig inkompatibel. Von Hierarchiedenken und Fingerpointing geprägte Firmenkulturen machen Eigeninitiative und selbstorganisierte Teams nahezu unmöglich.
  • Mit der Zeit haben sich in vielen Konzernen Regelwerke und definierte Prozesse herausgebildet die so umfangreich sind, dass sie innerhalb von 40-Stunden-Wochen nicht mehr befolgbar sind. Um überhaupt arbeitsfähig zu bleiben werden diese Regeln und Prozesse von den Mitarbeitern systematisch unterlaufen und ignoriert. Diese Haltung hat sich oft so verfestigt, dass sie automatisch auch auf Scrum angewandt wird.
  •  Scrum wird in vielen Fällen nur halbherzig, bzw. mit reduziertem Umfang eingeführt (ScumBut). Wenn aber zentrale Bausteine wie z.B. der Scrum Master, das Daily Scrum oder die Retrospektive fehlen, wird die agile Transition scheitern. Es entsteht bei den Teammitgliedern (die Scrum nur so kennengelernt haben) der Eindruck, dass die Methodik gar nicht funktionieren kann.
  • Selbst wenn Scrum korrekt eingeführt wird, wird häufig erwartet, dass die bisherigen Prozesse zusätzlich dazu weitergeführt werden (ScrumAnd). Da diese wie erwähnt bereits für sich genommen zu schwergewichtig sind, wird das Team überlastet. Die Tendenz sich Prozessen zu verweigern und sie zu unterlaufen wird verstärkt.
  •  Dem für die agile Transition notwendigen Kulturwandel wird nicht ausreichend Zeit gegeben. Um Scrum so (oft) zu erklären, dass es verstanden wird, um Verhaltensweisen zu ändern und um den historisch entstandenen Prozess-Wildwuchs zurückzuschneiden sind Monate, wenn nicht sogar Jahre nötig. In der von Quartals- und Jahreszahlen getriebenen Konzernwelt werden Neuerungen aber mitunter schon als gescheitert betrachtet und zurückgenommen wenn sie nicht bereits nach wenigen Monaten Wirkung zeigen.
Zusammengenommen führen diese Faktoren immer wieder dazu, dass die (falsch durchgeführte) Einführung von Scrum die Ausgangssituation nicht verbessert sondern verschlechtert. Wenn dass dann nicht nur einmal sondern mehrfach passiert ist, ist sein Ruf beim Management so ruiniert, dass bereits die bloße Erwähnung des Namens dazu führen kann, dass man des Raumes verwiesen wird. Das muss nicht unbedingt heißen, dass die Methodik für immer gestorben ist - sie kann sehr wohl erneut eingeführt werden, und das vielleicht sogar erfolgreich. Allerdings nicht mehr unter dem Namen Scrum.

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