Donnerstag, 22. März 2018

Die Klagemauer

Bild: Wikimedia Commons / Israel Tourism - CC BY-SA 2.0
Gerade in grossen Organisationen oder im Rahmen agiler Transitionen können häufig Situationen auftreten die für Teams frustrierend sind. Schwierig ist das vor allem dann wenn die Ursachen dieser Frustration in einem Bereich liegen, der vom Team selbst nicht beeinflusst werden kann. Selbst wenn der Scrum Master und das Management an Verbesserungen arbeiten kann es in Konzernen mitunter Monate dauern bis spürbare Verbesserungen eintreten. In solchen Zeiträumen besteht die Gefahr, dass die Retrospektiven so stark von diesen Situationen überlagert werden, dass sie zu reinen "Jammer-Meetings" werden. Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess ist dann nur schwierig am Leben zu halten.

Die naheliegende Lösung ist es, derartige Themen wegzumoderieren und den Focus der Meetings auf Themen zu legen in denen das Team bereits die Ressourcen und Kompetenzen hat um selbst für Verbesserungen zu sorgen. Das Risiko bei diesem Vorgehen ist, dass bei den Teammitgliedern der Eindruck entstehen kann, dass für sie wichtige Themen nicht zugelassen würden. Letztendlich eine Zwickmühle: entweder die Retrospektive wird von fruchtlosem Jammern geprägt oder das Team ist unglücklich weil ihm ein Ventil zum Ablassen der aufgestauten Frustration fehlt.

Ein Lösungsansatz den ich in einem meiner Teams umgesetzt habe war eine so genannte Klagemauer. Zu Beginn der Retrospektive versammelte sich das Team vor einer der Wände des Meetingraums, über der auch ein Banner mit eben diesem Namen hing. Ähnlich wie im Fall der echten Klagemauer konnte hier den eigenen Gefühlen freier Lauf gelassen werden. Aus Praktikabilitätsgründen wurde zu diesem Zweck allerdings nicht wie in Jerusalem üblich die eigene Kleidung zerrissen, stattdessen wurden die (im Moment noch) nicht zu verändernden Ärgernisse bekanntgegeben und auf Zetteln an die Wand gehangen. Nachdem jeder auf diese Weise Druck ablassen konnte ging es weiter mit dem eigentlichen Meeting.

Was bei einem solchen Ansatz zu beachten ist: er sollte nicht zu einem Dauerzustand werden. Wenn sich über einen längeren Zeitraum nichts ändert wird die immer weiter anwachsende Menge an "Klage-Zetteln" irgendwann eine deprimierende Wirkung ausüben. Wenn es hingegen irgendwann gelingt größere Impediments zu beseitigen kann das gemeinsame Abnehmen der über die Zeit gesammelten Post Its zu einem Gemeinschaftsereignis werden bei dem das Team symbolisch von einer Last befreit wird. Es kann sprichwörtlich zusehen wie die gesammelten Impediments verschwinden. Für die Moral im Team und den Glauben daran, dass Verbesserungen möglich sind ein nicht zu unterschätzender Faktor.

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