Donnerstag, 12. April 2018

Stop where you are

Bild: Pxhere - CC0 1.0
Fortschritt ist wichtig und Stillstand ist Rückschritt, so weit, so gut. Klar ist aber auch, dass Veränderung kein Selbstzweck ist, schon gar nicht dann wenn es darum geht bestimmte Methoden und Frameworks einzuführen. Wenn hinterfragt wird. welchen Mehrwert eine Veränderung bringen soll, kann es vorkommen, dass sich der aktuelle Zustand als völlig ausreichend herausstellt. Wie im folgenden Beispiel.

Ein Team bei einem Kunden hatte die Aufgabe bestimmte Services für die internen Benutzer einer Software zu erbringen - Accounts anlegen, Berechtigungen vergeben, Passwörter zurücksetzen, etc. Um das effizienter zu gestalten war versucht worden Lean Six Sigma einzuführen, was am aktiven und passiven Widerstand der Teammitglieder gescheitert war, die in der Methode einen bürokratischen Prozess-Overhead gesehen hatten1. Um das Team nicht "unmethodisch" vor sich hin arbeiten zu lassen sollte als nächstes eine Umstellung auf Kanban stattfinden. Ganz im Sinn von Start where you are stand dabei am Beginn eine Bestandsaufnahme des Ist-Standes, die das folgende Ergebnis hatte:

Die Organisation des Teams erfolgte durch eine Mischung aus Lean Six Sigma-Versatzstücken, Improvisation und "war schon immer so"-Elementen und war um eine jeden Morgen stattfindende Statusrunde organisiert. Vor dieser stellte jedes Teammitglied seine persönliche Belastungs-Ampel auf einem gemeinsamen Board auf Grün, Gelb oder Rot, je nach Arbeitslast. Ein wechselnder Moderator fragte alle deren Ampel auf Rot stand nach den Gründen und vermittelte Hilfe von weniger überlasteten Teammitgliedern. Strukturelle Probleme wurden dem Teamleiter übergeben, der dann in den nächsten Meetings berichtete wie er mit der Behebung vorankam.

Bei den Befragungen waren alle Beteiligten der Meinung, der aktuelle Prozess wäre der beste seit langem. Die Arbeit würde gerecht verteilt und schnell erledigt, Leerlauf und Überlastung kämen kaum vor, Schieflagen würden innerhalb eines Tages erkannt und behoben, die Problemlösung wäre unkompliziert und transparent. Es war zwar allen bewusst, dass die offiziellen Arbeitsanweisungen nicht eingehalten würden, aber es würde doch alles gut funktionieren. Wäre das nicht völlig ausreichend?

Das Ergebnis war dann tatsächlich ein Ratschlag an das Management, auf neue Methoden-Einführungen zu verzichten und alles so zu lassen wie es in diesem Moment war. Auf seine eigene Art hatte das Team bereits das Ziel der Firma erreicht: effektives Arbeiten mit schlanken Prozessen und schneller Reaktionsfähigkeit bei unerwarteten Entwicklungen. Jetzt noch Kanban oder irgendeinen anderen Ansatz einzuführen wäre nichts anderes gewesen als Methodismus. Viel besser war es, die Leute einfach in Ruhe arbeiten zu lassen.


1Eine feine Ironie der Geschichte.

Related Articles