Dienstag, 24. März 2015

Staatliche Förderung für Scrum-Zertifizierungen

Was man alles so lernt. Agile Zertifizierungen jeglicher Art (Scrum Alliance, Scrum.Org, ISTQB, ISQI, PMI) muss man nicht komplett selber bezahlen - der Staat übernimmt die Hälfte der Kosten. Einzige Vorausetzung ist, dass man in einem Unternehmen angestellt sein muss (ggf. ist das das dann eben die eigene GmbH & Co KG). Wenn das gegeben ist, greift die Förderungswürdigkeit durch den Europäischen Sozialfonds (ESF), die dann je nach Bundesland anders umgesetzt wird. Hier in NRW bekommt man so genannte Bildungsschecks ausgestellt, die der Zertifizierungsanbieter bei der jeweiligen "Bewilligungsbehörde" einreichen kann.

Auf der einen Seite spart das natürlich viel Geld (bis zu 2000,- € pro Förderung!), auf der anderen Seite ist es furchtbar bürokratisch. Man muss eine Beratungsstelle finden, die erforderlichen Informationen zusammentragen, Unterlagen vorbereiten, an einem Beratungsgespräch teilnehmen und Formulare ausfüllen. Dazu ist es mit einem weitgehenden Daten-Striptease verbunden. Name, Geschlecht, Beschäftigungsverhältnis, Bildungshistorie, Migrationshintergrund und vieles mehr wird in irgendwelche Datenbanken aufgenommen und nach Brüssel geschickt, wo EU-Beamte mit kritischem Blick untersuchen, ob das Geld denn auch wirklich bei der angedachten Zielgruppe ankommt. Ob man das will muss jeder selbst wissen, umgehen kann man es nicht. Um es in der unnachahmlichen Prosa der deutschen Beamtensprache zu sagen:

Diese Angaben werden benötigt, weil das Land Nordrhein-Westfalen seinerseits für die Mittelvergabe aus dem Europäischen Sozialfonds nach Maßgabe der gemeinsamen Verordnung über die Struktur- und Investitionsfonds (EU) 1303/2013 vom 17.12.2013 bestimmten Berichtspflichten an die Europäische Kommission nachkommen muss. Erfüllt das Land Nordrhein-Westfalen diese Pflichten nicht oder nur ungenügend, drohen dem Land gemäß dieser Verordnung Rückforderungen von bereits zugewiesenen Mitteln.

So weit so amüsant. Mein Kritikpunkt wäre ein anderer: Laut Broschüre des Arbeitsministeriums (nicht online) richtet sich das Programm eigentlich an "Menschen mit Qualifizierungslücken", "Un- und Angelernte", "Beschäftigte ohne Berufsabschluss" und "Zuwanderer, die eine Nachqualifizierung anstreben". Gerade diese werden aber mit der oben genannten Bürokratie völlig überfordert sein. Ich nehme stark an, dass ein großer Teil der Gelder stattdessen bei solchen Unternehmen landen wird, die im Umgang mit Behörden- und Konzernprozessen erfahren sind: bei den Beratungsunternehmen verschiedenster Art. Wobei auf der anderen Seite natürlich auch zu sagen ist, dass keineswegs jedes Beratungsunternehmen im Geld schwimmt, viele werden diese Förderung gut brauchen können. Naja.

Wer sich in die Beantragungsprozesse stürzen möchte, kann das hier tun. Viel Glück.

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