Montag, 4. Januar 2016

Essential Kanban Condensed Guide [updated]

Bild: Pixabay / Geralt - Lizenz

Alles neu macht der Januar. Das gilt für diese Seite (Feedback zum neuen Design bitte über das Kontaktformular an mich), es gilt aber auch für die Welt der agilen Methoden, Frameworks und Regelwerke. Seit einigen Wochen kursiert eine Version 0.9 eines Kanban-Guide in der Community, dessen Veröffentlichung durch die Lean Kanban University unmittelbar bevorstehen soll [Update 28.07.16: ist mittlerweile offiziell veröffentlicht, hier ist der Link]. Zeit für einen näheren Blick.


Zunächst das Offensichtliche: Kanban ist nach Scrum der zweite grosse Ansatz der agilen Produkt- und Prozessentwicklung, hat aber nicht einmal in Ansätzen einen vergleichbaren Bekanntheitsgrad und kommerziellen Erfolg. Der Kanban Guide [Update: es hat sich tatsächlich der wunderliche Name "Essential Kanban Condensed Guide" durchgesetzt] ist anscheinend Teil der Bemühungen diesen Rückstand aufzuholen, genau wie die Lean Kanban University (als Entsprechung der Scrum Alliance) und deren Trainings- und Zertifizierungs-Programme.


Es liegt daher nahe den neuen Kanban Guide mit dem Scrum Guide zu vergleichen. Die als erste ins Auge springende Gemeinsamkeit ist dabei der Umfang: genau wie die Scrum-Begründer Ken Schwaber und Jeff Sutherland haben auch David J Anderson und Andy Carmichael ihr Werk kurz gehalten, die im Moment kursierende Version ist mit 25 Seiten angenehm überschaubar [Update: da ist zwischen Version 0.9 und Version 1.0 einiges passiert, es sind jetzt fast 50 Seiten, mit Anhängen fast 90 (!)].


Eine halbe Gemeinsamkeit gibt bei der Wertebasierung. Während die Scrum-Werte keinen offiziellen Status haben [Update 07.11.16: mittlerweile sind auch die Scrum-Werte offiziell] stehen die Kanban-Werte ganz am Anfang des Dokuments. Im Einzelnen sind es Transparency, Balance, Collaboration, Customer Focus, Flow, Leadership, Understanding, Agreement und Respect. Schön, dass sich in diesen Werten die Eigenheiten von Kanban wiederfinden: vor allem Flow und Balance passen hier sehr gut (und bilden einen sichtbaren Kontrast zu den Iterations-basierten Scrum-Werten Committment und Courage).


Ein klarer Unterschied zu Scrum ist die Aufführung von Praktiken, im Einzelnen Visualize, Limit Work in Progress, Manage Flow, Make Policies Explicit, Implement Feedback Loops und Improve Collaboratively, Evolve Experimentally. An dieser Stelle bewegt sich die hier beschriebene Variante von Kanban weg von einem offenen Framework (wie Scrum eines ist) und hin zu einer Prozessanleitung. Besonders bei der Praktik Implement Feedback Loops ist das auffällig, hier werden gleich sieben verschiedene Meetings definiert in denen Feedback stattfinden soll.


Ebenfalls eher in eine deskriptive Richtung gehend sind die Anleitung für die Kanban-Einführung in Unternehmen, der so genannte Systems Thinking Approach to Introducing Kanban (STATIK), und der Kanban Litmus Test genannte Maturity Check. Auch die Empfehlung der zwei nach Möglichkeit zu verwendenden Metriken Cumulative Flow Diagram und Run Chart (anscheinend eine Abwandlung eines Control Charts) ist relativ spezifisch.


Eine Gemeinsamkeit mit Scrum findet sich zuletzt wieder bei den Rollen, die erkennbar aus dem anderen Framework übernommen wurden. Der Scrum Master heisst hier Service Delivery Manager, Flow Manager, Delivery Manager oder Flow Master, der Product Owner heisst Service Request Manager, Product Manager, oder Service Manager (es sind jeweils mehrere Möglichkeiten angegeben). Einfache Teammitglieder werden nicht erwähnt, scheinen also keinen methodentypischen Namen zu haben.


Das Fazit: gemischt. Zwar ist Kanban mit diesem Dokument jetzt klarer definiert und beschrieben (zumindest für alle die der Lean Kanban University Deutungshoheit zugestehen) was Einführung und Umsetzung erleichtern kann. Auf der anderen Seite war es immer die Stärke von Kanban, dass es als "Open Source-Bewegung" sehr offen und frei in der Umsetzung war, das könnte hier verloren gehen. Positiv gesehen: immerhin scheint es den Willen zu geben den Umfang gering zu halten [Update: wie gesagt, Version 1.0 hat mit Anhängen fast 90 Seiten (!)]. Mal sehen wie es sich entwickelt.

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