Donnerstag, 23. März 2017

Broken Window

Bild: Pixabay / Taken - Lizenz
Wenn kleinere Schäden an einem Objekt nicht sofort behoben werden, werden sich Menschen eingeladen fühlen weitere Beschädigungen an ihm durchzuführen. Unversehrte Objekte werden dagegen mit großer Wahrscheinlichkeit von Vandalismus verschont bleiben. Die Richtigkeit dieser Theorie wurde im Jahr 1969 vom amerikanischen Psychologen Philip Zimbardo anhand zerbrochener Fensterscheiben nachgewiesen, weshalb sie heute als Broken Windows Theory bezeichnet wird. Auch kleine Beschädigungen zu verhindern und ggf. sofort zu reparieren gilt seitdem als effektives Mittel gegen den Verfall und Niedergang von sozial gefährdeten Nachbarschaften und Stadtteilen.

Die Broken Windows Theory ist allerdings nicht auf die Stadtsoziologie beschränkt sondern lässt sich auch auf das Change Management übertragen: wenn eine neue Methode (egal ob agil oder nicht) eingeführt wird und auf den eingespielten Konzern-Anarchismus trifft entstehen häufig Schneeball-Effekte - sobald an einer Stelle die Vorgaben aufgeweicht werden folgt schnell eine zweite, eine dritte, und so weiter. Tatsächlich ist es auch schwer dagegen zu argumentieren, wenn die Betroffenen die berechtigte Frage stellen "warum müssen wir uns an alles halten und die Nachbarabteilung nicht?". Schon wird ein weiteres mal eine Ausnahme gemacht, und nochmal, und nochmal, bis von der ursprünglichen Idee nichts mehr übrig ist.

Die Alternative besteht darin, auf die Einhaltung der Regeln zu bestehen. Das führt zwar zu einer Vermeidung des Broken Window-Effekts, kann aber schnell andere ungewünschte Auswirkungen haben. In dem Moment in dem die Mitarbeiter das Gefühl haben, dass nur aus Prinzip auf Regeln bestanden wird und nicht weil sie Sinn machen, steigt der Widerstand gegen sie nämlich exponentiell an. Um das zu verhindern muss durchgehend und immer wieder aufs neue erklärt werden warum diese Regeln einen Mehrwert bringen und warum auch "pragmatische Anpassungen" nicht wirklich zielführend sind.

Ein nützlicher Nebeneffekt dieses Vorgehens ist, dass sich die zu verteidigende Methode in einem Prozess der permanenten Überprüfung befindet. Wird dieser angenommen lassen sich zwei Vorteile aus ihm ziehen: zum einen wird sichergestellt, dass der Lösungsansatz tatsächlich noch zu dem Problem passt (wenn nicht sollte man ihn abschaffen), zum anderen lassen sich so Vorgaben identifizieren die nur scheinbar auf die Methode zurückgehen, in Wirklichkeit aber optional sind (vor allem im Fall von Scrum ist das häufig der Fall). Die können ggf. wirklich weggelassen werden, wobei aber erneut klar kommuniziert werden sollte, dass das eben keine Aufweichung des vorgesehenen Vorgehens ist. Wird das vergessen tritt der Broken Window-Effekt nämlich sofort wieder ein.

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