Freitag, 31. Juli 2020

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Bild: Unsplash / Dayne Topkin - Lizenz
  • Jeff Gothelf: Working Backwards - A New Version Of Amazon’s “Press Release” Approach To Plan Customer-Centric Projects

  • Über den bei Amazon üblichen Ansatz Produkte und Anforderungen Form von Pressemitteilungen zu verfassen hatte ich letztes Jahr schon etwas geschrieben. Auch Jeff Gothelf sieht darin ein wichtiges Werkzeug, an dem er aber zwei Kritikpunkte sieht - eine zu starke Focussierung auf Output statt auf Outcomes und eine Vernachlässigung der Herausforderungen in der teamübergreifenden Zusammenarbeit. Er schlägt daher das folgende, veränderte, "Pressemitteilungs-Format" vor:
    1. What did you ship?
    2. What customer problems does it solve?
    3. How do you know the problem solved those problems?
    4. What business benefit has been achieved?
    5. Internal quote from someone involved or invested in this project and its success.
    6. Provide a customer quote sharing how this new product made them more successful or helped them achieve something.
    7. How did the team works together to achieve these results? What challenges did the team overcome to make the product successful?
    8. Provide a call to action.
    In dieser Form auf jeden Fall ein interessanter und vielversprechender Ansatz. Ob er ausserhalb von Amazon als Anforderungsbeschreibung ausreichend ist ist zwar diskutabel, aber ein Einsatz in Produktfindungs-Workshops dürfte definitiv eine Option sein.

  • Bob Emiliani: What Comes After Lean?

    Lean Management und Agile sind sich in vielem ähnlich, unter anderem auch in der häufigen Aussenwahrnehmung als vorübergehende Management-Trends (angesichts einer 70-jährigen, bzw. 30-jährigen Geschichte eine gewagte Annahme, aber das wäre ein anderes Thema). Bob Emiliani nimmt das zum Anlass für ein Gedankenspiel - was könnte wohl danach kommen (in seinem Fall nach Lean)? Vier Optionen fallen ihm ein:
    1. Es findet eine Ablösung statt durch einen neuen Ansatz, der die bisherigen Herausforderungen besser lösen kann
    2. Es werden so lange neue Ideen und Prinzipien integriert bis der aktuelle Stand nur noch eine kleine Teilmenge des grossen Ganzen bildet
    3. Die Herausforderungen ändern sich und getrieben dadurch entstehen neue Lösungsansätze (man beachte den Unterschied zu Option 1)
    4. Es folgt einfach nichts. Die ganze Idee methodischer Ansätze verschwindet
    Die spannende Frage aus "agiler Sicht": lässt sich dieses Gedankenspiel von Lean auf Agile übertragen? Ein gutes Thema für die nächste Grundsatz-Diskussion zwischen Agile Coaches (oder sogar für ein ganzes Barcamp).

  • Jason Little: Balancing the Push and Pull of Change

    Der Lean Change-Ansatz von Jason Little hat sich (zumindest im deutschsprachigen Raum) nie so ganz durchsetzen können, weshalb er trotz seiner mittlerweile mehr als zehnjährigen Geschichte noch immer das Potential hat neue Impulse zu liefern. Ganz im Sinn des Agilen Manifests sind auch hier mehrere Gegensatzpaare entwickelt worden an denen man sein Handeln ausrichten kann:
    1. Co-creation over getting buy-in
    2. Meaningful dialogue over broadcasting
    3. Cause & purpose over creating urgency
    4. Experimentation over executing tasks
    5. Response to change over resistance to change
    Genau wie im Fall des Agilen Manifests ist auch hier wichtig, dass sich nicht jeweils eine richtige und eine falsche Option gegenüberstehen, sondern dass beide ihre Berechtigung haben. Die Bevorzugung der linken Seite ist also eher als Richtlinie zu sehen und nicht als Dogma.

  • David Robson: Can you learn to navigate uncertainty?

    Zur Abwechselung mal ein Absatz ohne Aufzählungen. Was die BBC hier gemacht hat ist ein hochinteressantes Experiment. In einer gross angelegten Studie sollten über 7000 Teilnehmer versuchen mehrere Monate im voraus Voraussagen zu Ereignissen in unberechenbaren Umfeldern zu machen - zu Wahlergebnissen, Währungsschwankungen, Pandemie-Verläufen, aber auch zu Produkt-Neuheiten grosser Unternehmen. Das unerwartete Ergebnis: Laien machten bessere Voraussagen als Experten und jüngere Menschen machten bessere Voraussagen als ältere. Dem Anschein nach können Erfahrung und Expertise also schädlich sein wenn man versucht sich in einem volatil oder chaotisch verhaltenden Umfeld zurechtzufinden. Die Erklärungsansätze die sich aus der Studie ergeben sollten nachdenklich machen - Experten und Menschen mit grösserer Lebenserfahrung tendieren demnach dazu die eigene Kompetenz zu überschätzen und neigen dazu die Lösungen vergangener Probleme undifferenziert auf zukünftige zu übertragen. Im Selbstbild vieler Menschen dürfte das spürbare Kratzer hinterlassen.

  • John Cutler: Developer & Designer Collaboration (in the Real World)

    Grau ist alle Theorie, die Praxis ist bunt. Was John Cutler hier teilt ist eine der vielen Arbeitsablauf-Varianten die sich in der Realität nach und nach entwickeln, wenn Teams ihre Prozesse kontinuierlich optimieren. Scheinbar Wasserfall-artige Phasen lösen sich ab mit iterativem Arbeiten, zeitweise wird Arbeit parallelisiert, dann kommt es wieder zu teamübergreifendem Pairing. Die Moral aus dieser Geschichte: diese Abläufe sind in diesem (und nur in diesem) Kontext optimal - und ein erzwungener Einheitsprozess hätte zu suboptimalen Ergebnissen geführt.

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