Das morphende Daily
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Bild: Unsplash / Carine L. - Lizenz |
Es ist eine der klassischen Fragen, mit denen sich jede grössere Organisation früher oder später beschäftigt - wie schaffen wir es, dafür zu sorgen, dass mehrere zusammenarbeitende Teams unbürokratisch die notwendigen Informationen untereinander austauschen können? Formate dafür gibt es viele, vom Scrum of Scrums über die Gilde und die Community of Practice bis zur Management- oder Spezialisten-Abstimmung. Eines ist aber erstaunlich unbekannt - das morphende Daily.
Die Grund-Idee, die dieses Format von fast allen anderen unterscheidet, ist, dass kein zusätzliches Meeting eingerichtet wird, in dem die einzelnen Teams in Gänze oder durch Vertreter zusammenkommen. Stattdessen werden lediglich die normalen Daily-Termine der Einzelteams abgehalten, mit nur einer einzigen Besonderheit: sie finden sequenziell nacheinander statt, und zwar in ein und demselben (physischen oder digitalen) Raum.
Stellen wir uns der Einfachheit halber ein Projekt mit vier Teams vor. Von denen hält das erste sein Daily-Meeting um Neun Uhr ab, das zweite seines um Viertel nach Neun, das dritte um Halb Zehn, das vierte um Viertel vor Zehn (es sind also die agil-typischen 15 Minuten). Und wie es in vielen agilen und nicht-agilen Teams üblich ist, sind diese Meetings öffentlich - jeder der interessiert ist kann zu Besuch kommen, solange er nicht ablenkt, stört oder die Abläufe durcheinanderbringt.
Wie in diesem Szenario die einfachste Form der Informationsübermittlung aussehen könnte, erschliesst sich sofort - jedes Team kann einfach eines oder mehrere Mitglieder bestimmen, die während der gesamten (und mit einer Stunde noch recht überschaubaren) Dauer im Raum bleiben, den jeweils anderen Teams für Fragen zur Verfügung stehen und gegebenenfalls darauf aufmerksam machen können, was aus dem eigenen Team für die anderen relevant sein könnte.
Eine etwas strukturiertere, aber noch immer einfache Variante kann daraus bestehen, dass ein Team einem oder mehreren der anderen im Voraus übermittelt, welches von deren Mitgliedern es gerne am jeweiligen Tag als Gast bei sich haben würde. Das kann z.B. der Spezialist für ein bestimmtes Thema sein (der UX Designer, der Tester, etc.), zu dem aktuell von Abstimmungsbedarf ausgegangen wird. Ggf. kann er im Daily seines eigenen Teams auch bereits Vorklärungen vornehmen.
Auch für übergreifende Rollen, wie Projektleiter, Architekten, Kundenvertreter oder sonstige Stakeholder kann dieses Format geeignet sein. Alleine dadurch, dass sie während der Dailies im Raum bleiben, sind sie über alles Wesentliche aus allen Teams im Bilde, vom Arbeitsfortschritt über aktuelle Probleme bis zu zu klärenden Punkten. Und je nach Rolle können sie sich auch selbst daran beteiligen, z.B. dadurch, dass sie selbst das letzte der aneinandergereihten Dailies durchführen.
Ich habe dieses Vorgehen in verschiedenen Projekten mit bis zu acht Teams erlebt, und es hat in allen einen einfachen Informationsaustausch ohne zusätzliche Abstimmungs- und Koordinationsmeetings ermöglicht (zumindest auf Tagesbasis, wöchentliche oder monatliche Planungs- und Review-Termine sind nochmal ein eigenes Thema, selbst wenn man oft auch sie nach einem vergleichbaren Muster aufeinanderfolgend abhalten kann).
Ein spannendes Phänomen ist dabei, dass es nach einiger Zeit dazu kommen kann, dass die Grenzen zwischen den Dailies der Teams sich auflösen. Vor allem wenn es gelingt, dass Teams mit tendenziell grösseren Berührungspunkten direkt aufeinanderfolgen, kann es an den Schnittstellen zu kurzen Abstimmungen und Übergaben kommen, so dass ein fliessender Übergang ohne klare Grenzen entsteht, das morphende Daily eben, das durchgehend fortläuft und bei dem sich nur die Teilnehmer verändern.
Natürlich wird dieses Format nicht in jedem Kontext passen, und man sollte sich auch bewusst machen, dass bestimmte Voraussetzung zwingend erforderlich sind, etwa die Fähigkeit sich kurz zu fassen und auf das Wesentliche zu beschränken, oder die Fähigkeit auch in diesen kurzen Terminen auf unerwartete Entwicklungen einzugehen, selbst wenn der ursprüngliche Plan etwas anderes vorgesehen hat, das dann ggf. bis zum nächsten Tag warten muss.
Für alle, denen etwas daran liegt, dass mehrere zusammenarbeitende Teams unbürokratisch und ohne zusätzliche Meetings Informationen austauschen und Abstimmungen vornehmen können, ist ein morphendes Daily aber etwas, das man auf jeden Fall ausprobieren sollte, und das man möglicherweise bald so gut finden wird, dass man nicht mehr darauf verzichten möchte.