Montag, 14. Oktober 2019

Frameworks und Werte

Bild: Wikimedia Commons / ChinaFlag - CC0 1.0
Wer schon einmal in einem Workshop war, in dem es darum ging agile Vorgehensmodelle zu erklären oder ihre Einführung vorzubereiten, wird dort mit grosser Wahrscheinlichkeit auch über Werte gesprochen haben. Egal ob Extreme Programming (Communication, Simplicity, Feedback, Courage,  Respect), Scrum (Courage, Commitment, Focus, Openness, Respect) oder Kanban (Transparency, Balance, Collaboration, Customer Focus, Flow, Leadership, Understanding, Agreement, Respect) - jedes bekannte Framework betont, dass es wertebasiert ist. Aber warum ist das so?

Die Antwort hat mit genau dieser Selbstbezeichnung zu tun. XP, Scrum & Co legen Wert darauf, keine Methoden zu sein, sondern Frameworks, wohinter sich ein völlig anderes Konzept verbirgt. Während durch Methoden relativ genaue Vorgaben erfolgen, wer wann was mit welchem Ziel zu tun hat, wollen die agilen Frameworks genau das vermeiden. Die darunterliegende Annahme: je strikter die Vorgaben, desto unwahrscheinlicher, dass sie der komplexen Realität gerecht werden. Im Zweifel schaden sie sogar mehr als sie nutzen, da plötzlich der Plan nicht mehr zur Realität passt.

Um derartige Konstellationen zu vermeiden lassen die Frameworks bewusst grosse Lücken, die jeder so füllen kann, wie er es für sinnvoll hält. Beispiele dafür sind Anforderungsformate und die Abnahmen fertiger Arbeit: XP, Scrum und Kanban gehen nicht darauf ein wie sie ausgestaltet sein sollen, jedes Team kann das für sich selbst festlegen. Das daraus entstehende Problem - diese Offenheit bringt das Risiko mit sich, dass versehentlich unflexible und bürokratische Strukturen (wieder)eingeführt werden, etwa indem besonders detaillierte Spezifikationen möglichst früh im voraus verfasst werden, die dann zu erfüllen sind.

Die Lösung für dieses Dilemma sind die zu Beginn genannten Werte. Sich im Zweifel an ihnen zu orientieren lässt den Beteiligten genug Freiraum, um den Arbeitsprozess nach ihren Bedürfnissen auszugestalten, zeigt ihnen aber auch, wo sie sich von der angestrebten Agilität entfernen. Um beim Beispiel der Abnahmen anhand von lange im voraus verfassten Detailspezifikationen zu bleiben - wer ernsthaft Simplicity, Openness und Balance als Werte verfolgt wird sich von diesem Vorgehen schnell verabschieden.

Um zuletzt einen häufigen Einwand aufzugreifen: natürlich bedeutet das auch, dass der Arbeitsprozess weniger stabil ist und häufiger geändert werden muss, nämlich immer dann, wenn er sich aufgrund geänderter Realität plötzlich im Widerspruch zu den Werten befindet. Aber das ist etwas Gutes - es verhindert, dass die Menschen durch unnötige Vorgaben eingeengt werden.

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