Donnerstag, 18. August 2016

Warum eine hundertprozentige Auslastung schlecht ist


Eigentlich sollte man denken, dass es (zumindest aus Arbeitgebersicht) etwas Gutes ist wenn Mitarbeiter zu hundert Prozent ausgelastet sind. Keine unproduktiv verbrachte Arbeitszeit, kein untätiges Herumsitzen, kein gelangweiltes Surfen im Internet. Für viele Manager ist es eines ihrer Hauptziele, dass sie ihren Leuten soviel Arbeit zuweisen, dass die durchgehend etwas zu tun haben. Das Problem: damit begehen sie einen schweren Fehler. Und der lässt sich an einem anschaulichen Beispiel erklären.

Das oben zu sehende Display hängt im Bürgeramt der Stadt Bonn, das unter Anderem für Ausweisangelegenheiten oder die An- und Abmeldung von Autos zuständig ist. Um einen Termin zu bekommen kann man sich online anmelden und bekommt eine Vorgangsnummer und eine Uhrzeit zugemailt zu der man erwartet wird. Durch die Einblendungen auf dem Display wird man zu dieser Zeit sofort zu einem Schalter geleitet, an dem man seinen Behördengang erledigen kann. Ein zunächst unscheinbares Detail dieses Vorgangs ist, dass die Vorgangsnummer chronologisch hochgezählt wird. Die hier zu sehenden Nummern die mit Zwei-, Drei- oder Viertausend beginnen wurden mehrere Tage im voraus vergeben, die mit einer Sieben am Beginn aber erst vor wenigen Minuten, maximal vor wenigen Stunden. Es stellt sich die Frage: warum hat man diese Zeiträume so lange freigelassen? Wäre es nicht effizienter gewesen sie von Beginn an zu verplanen, so dass die Mitarbeiter auch ganz sicher ausgelastet sind?

Nun, nicht ganz. Stellen wir uns vor, dass bei vollständiger Verplanung die Bearbeitung eines Vorgangs länger dauert als gedacht, sagen wir 10 Minuten länger. Und nehmen wir an, dass der danach sich genauso in die Länge zieht. Die Folge wäre eine Verspätung von 20 Minuten, um die sich alle folgenden Vorgänge verschieben. Deswegen sind die nächsten Kunden verärgert und sie beschweren sich zunächst ausgiebig. Dadurch dauern auch ihre Fälle länger, die Verzögerung wächst und am Ende des Tages beträgt sie mehr als eine Stunde. Wer die letzten Bearbeitungszeiträume zugewiesen bekommen hat kann dann nicht mehr bedient werden und er muss am nächsten Tag wiederkommen, der dadurch gleich mit ungeplanter Arbeit und dadurch mit verspäteter Abarbeitung der geplanten Aufgaben beginnt. Und so geht es immer weiter.

Derartige Zustände sind natürlich unerwünscht, weshalb vorgegangen wird wie oben beschrieben: ein bestimmter Prozentsatz der Bearbeitungszeiträume bleibt bewusst unverplant. Wenn sich Verspätungen aufstauen können sie als Puffer genutzt werden um den Verzug aufzufangen, und wenn nicht können sie an kurzfristig aufgetauchte Kunden vergeben werden (die man bei vollständiger Verplanung wegschicken müsste). Auch der umgekehrte Fall ist mit diesem Modell möglich: wenn mehrere Bearbeitungen schneller erledigt sind als gedacht lässt sich nachträglich noch ein weiterer Kunde in die Warteschleife aufnehmen und bedienen. Man sieht - dadurch, dass die Sachbearbeiter nicht zu hundert Prozent verplant wurden sind sie in der Lage wesentlich flexibler auf das tagesaktuelle Arbeitspensum zu reagieren, ohne dass dadurch Verspätungen entstehen.

Was hier am Beispiel des bonner Bürgeramts beschrieben wird gilt natürlich auch für jede andere Art der Arbeit. Egal ob in einem Bauvorhaben, auf einem Softwareprojekt oder in einem sonstigen Unternehmen - zu ungeahnten Aufwänden kann es immer kommen. Und wenn man in solchen Momenten keinen Puffer zur Verfügung hat baut sich eine Bugwelle an unerledigter Arbeit auf die man ewig vor sich herschiebt.

Natürlich kann es bei dem Einplanen solcher Puffer dazu kommen, dass es ab und zu zu Phasen des Leerlaufs kommt. Das ist unschön, wird sich aber nie ganz vermeiden lassen. In der Gesamtbetrachtung sollte aber klar sein, dass das um ein vielfaches besser ist als das Auftürmen von immer neuen Verspätungen, die irgendwann nur noch mit Überstunden und Wochenendarbeit zu bewältigen sind. Übermüdete und frustrierte Mitarbeiter führen nämlich zu weiteren nachteiligen Effekten (aber das wäre dann ein Thema für sich).

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