Scaled Agile: Tribes
Bild: Wikimedia Commons/Jialiang Gao - CC BY-SA 3.0 |
Spotify-Tribes beruhen auf zwei Grundlagen: zum einen fachlicher Zusammengehörigkeit in Form des bereits genannten gemeinsamen (Teil)Produkts, zum anderen auf einer beschränkten Größe von maximal 100 Mitgliedern. Diese geht zurück auf die so genannte Dunbar-Zahl, welche die Maximalgröße einer Gruppe markiert in der alle Mitglieder noch soziale Beziehungen zueinander aufbauen können. Da diese Größenordnung vor allem in Stammesgesellschaften (soziologischer Fachbegriff: Horden) auftritt wurde bei Spotify für sie der Begriff des Stammes (Tribe) gewählt.
Tatsächlich gehen die Gemeinsamkeiten der agilen Tribes mit den Stammesgesellschften aber über die bloße Größe hinaus. Stämme gelten als größte gesellschaftliche Einheit in der eine Ranggleichheit aller Mitglieder (Akephalie) möglich ist. Das bedeutet nicht, dass es keine Führungspersonen gibt, Führung findet aber immer nur vorübergehend und durch je nach Aufgabe andere Personen statt und es ist den anderen selbst überlassen ob sie sich führen lassen wollen. Auch in selbstorganisierten agilen Teams ist das die bestmögliche Organisationsform.
Ausserdem bilden Stämme üblicherweise eine gemeinsame Kultur heraus, ein Phänomen das sich auch in agilen Tribes beobachten lässt. Wie das im Einzelnen aussieht ist von Fall zu Fall verschieden, mögliche Beispiele wären Meeting-Kultur, Gesprächskultur, Konsenskultur oder Wettbewerbskultur, aber auch technische Programmierkulturen können sich herausbilden. Beispiele hierfür wären eine Fokussierung auf Test Driven Development oder (als Antipattern) der Verzicht auf Planung oder Verbesserung.
Zuletzt sind Stämme in der Regel autark, was heisst, dass sie unabhängig von anderen Stämmen existieren und wirtschaften können. Im Fall von Spotify trifft das in technischer Hinsicht auch auf die Tribes zu, deren Anwendungen so entkoppelt sind, dass sie unabhängig von anderen entwickelt und in Produktion gebracht werden können (Microservices).
Im Alltag ist dieser theoretisch-soziologische Überbau selten präsent, in der Organisationsentwicklung sollte man von ihm zumindest gehört haben. Selbst wenn seine Übertragbarkeit Grenzen hat kann er zu einem besseren Verständnis von Gruppenprozessen und -dynamiken beitragen. Und ganz nebenbei trägt er dazu bei, dass man das Spotify Modell nicht einfach kopiert sondern sich über dessen Sinnhaftigkeit Gedanken macht.