Donnerstag, 25. Januar 2018

Denn sie wissen nicht, wen sie rekrutieren (III)

Bild: Rawpixel - CC0 1.0
Stellen wir uns folgende Konstellation vor: ein professioneller Sportverein, zum Beispiel Bayern München, muss in dem hochgradig wettbewerbsintensiven Umfeld einer Topliga bestehen. Um dazu in der Lage zu sein benötigt er Spitzenpersonal - auf jeder Position Spieler von internationaler Klasse, einen Trainer der idealerweise schon durch Titel bewiesen hat, dass er Mannschaften zum Erfolg führen kann, dazu Spezialisten wie Masseure, Platzwarte und weitere. Um diese Spitzenkräfte zu bekommen beschäftigt jeder große Verein Scouting- und Talentförderungseinheiten, in denen ausgewiesene Fachleute dafür sorgen, dass nur das beste Personal engagiert wird.

Übertragen wir es auf die IT: ein großes Technologieunternehmen, das in einem extrem volatilen und disruptiven Marktumfeld unterwegs ist, muss versuchen mit der nationalen und internationalen Konkurrenz mitzuhalten. Um dazu in der Lage zu sein benötigt es Spitzenpersonal - Entwickler, Tester, Produktmanager, UX-Designer und Scrum Master. Um diese Spitzenkräfte zu bekommen beschäftigt es ... Scouting- und Talentförderungseinheiten? Im Idealfall ja, in der Realität leider nur zum Teil. Sehr häufig wird die Personalsuche an externe Dienstleister ausgelagert, und an der Stelle beginnen die Probleme.

Auf welche haarsträubende Weise Personalvermittler und Headhunter häufig vorgehen habe ich schon mehrfach aufgeschrieben, heute soll es darum um eine andere und naheliegende Frage gehen: Warum geben viele Firmen diese extrem wichtige Aufgabe an so offensichtlich überforderte Dienstleister weiter? Aus meiner Erfahrung sehr häufig aus zwei Gründen - um Kosten zu sparen und um Verantwortung (und Schuld) zu externalisieren.

Das (scheinbare) Kostenargument hat seinen Ursprung im Zerfall vieler Unternehmen in unterschiedliche organisatorische Silos, die auch nach unterschiedlichen Zielen gesteuert werden. Ich kenne Personalabteilungen in denen es als wichtigstes Erfolgskriterium gilt wenn der Scouting- und Rekrutierungsprozess möglichst billig ist. Die offensichtliche Folge: es werden Aufträge an Billig-Anbieter vergeben, die billiges Personal beschäftigen, welches in Zeiten des Fachkräftemangels fast zwangsläufig unqualifiziert sein muss.

Die Externalisierung von Verantwortung und Schuld dagegen geht auf die Firmenkultur zurück. Wenn eine Kontroll- und Bestrafungskultur vorherrscht führt das automatisch dazu, dass bereits von Anfang an alle Arbeit so organisiert wird, dass man im Zweifel einem anderen die Schuld geben kann. Externe Dienstleister sind da ein dankbarer Sündenbock: sie sind in den Schuldzuweisungsrunden nicht dabei (können sich also nicht verteidigen) und man kann sich leicht von ihnen trennen.

In Kombination sorgen diese beiden Faktoren für zwei Ergebnisse. Zum einen werden die HR-Abteilungen intern gelobt und belohnt, denn sie können die Kosten niedrig halten und sich als durchsetzungsstark profilieren indem sie von Zeit zu Zeit einen Dienstleister zum Sündenbock machen und vom Hof jagen. Zum anderen führt der qualitativ geringwertige Rekrutierungsprozess zu Fehlbesetzungen mitsamt der erwartbaren negativen Auswirkungen auf Qualität und Effektivität, die dann aber ein anderes organisatorisches Silo ausbaden muss. Mit anderen Worten: dort wo die Probleme entstehen werden die Mitarbeiter dafür belohnt, dass sie nichts ändern, dort wo die Probleme ihre Auswirkungen haben gibt es nicht die Möglichkeit die verursachenden Prozesse zu verbessern.

Soweit die Problemanalyse, was aber wäre die Lösung? Verkürzt gesagt: die Auflösung organisatorischer Silos, die Beendigung von lokaler Optimierung auf Kosten anderer Firmenteile und die Abschaffung der kontroll- und bestrafungszentrierten Firmenkultur. Das würde zwar viel bringen, wäre aber anstrengend und langwierig. Und darum lassen viele Firmen lieber alles so wie es ist und fluchen dafür regelmässig über die eigenen Leute.

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