Montag, 4. Mai 2020

#Remotework als goldenes Zeitalter für Scrum Master und Agile Coaches

Bild: Wikimedia Commons / Levan Nioradze - CC BY-SA 2.0
Auf seiner Seite Führung erfahren hat Marcus Raitner eine Blogparade zum Thema #Remoteworks angestossen, einen Aufruf zum gemeinsamen Reflektieren über die Erfahrungen die in den letzten Wochen und Monaten mit der plötzlich allgegenwärtigen geografisch verteilten Arbeit gemacht wurden. Mein Beitrag dazu dreht sich um die Rolle der Scrum Master und Agile Coaches in der plötzlich veränderten Arbeitswelt. Denn während viele von ihnen sich nach der schlagartigen Verlagerung ins Homeoffice erschrocken gefragt haben wofür sie jetzt noch gebraucht werden ist es meine Überzeugung (die sich auch durch meine gegenwärtige Arbeit als Remote-Scrum Master ergibt), dass sie dringender benötigt werden als je zuvor.

Um das Offensichtlichste zuerst zu nennen: die Unsicherheit ist zurück. Ausgerechnet kurz nachdem es den Unternehmen (scheinbar) gelungen war die neue Strukturen verlangenden Innovationsprozesse in "Digitale Tochterunternehmen" auszulagern und die agilen Arbeitsweisen durch Hybrid-Ansätze wie SAFe zu "zähmen" wird die Arbeitswelt mit Wucht durcheinandergeworfen. Das Bonmot, dass Covid-19 ein stärkerer Veränderungstreiber ist als alle CEOs und CTOs ist nicht von der Hand zu weisen, und die noch immer gegebene Neuartigkeit und Ergebnisoffenheit der Situation lässt fürs erste nur ein tastendes, ausprobierendes Vorgehen zu. Ob unter diesem Namen oder nicht, Firmen müssen sich jetzt agil verhalten um zu überleben und brauchen dafür Fachkräfte die wissen wie das geht.

Es gibt einen grossen Sprung nach vorne in der Digitalisierung: die vorher im gemeinsamen Büro stattfindende Kommunikation muss in online-gestützte Tools verlagert werden. Dabei ist es nicht damit getan Zoom, Slack und Jira einzuführen, es geht auch darum zu verhindern, dass sie Informationsflüsse einengen oder verfremden, es muss den Teams dabei geholfen werden Vereinbarungen zu treffen was auf welchem Kanal kommuniziert wird und es müssen Möglichkeiten erarbeitet und ständig optimiert werden Formate wie Refinements oder Retrospektiven mit ihnen abzuhalten. Und als wäre das nicht schon genug zu tun kommt dazu manchmal noch der Punkt, dass Manager daran gehindert werden müssen die digitalen Tools für übergriffige Überwachungsmassnahmen zu benutzen.

Weniger sichtbar aber mindestens genausowichtig ist die menschliche Seite der verteilten Zusammenarbeit. Auch hier gibt es mehr und weniger offensichtliche Aspekte. Zu den ersten gehört, dass auch introvertierten und leisen Kollegen die Möglichkeit gegeben wird sich online in Diskussionen und Entscheidungen einzubringen, zu den zweiten gehört das Erkennen und Kompensieren möglicher negativer Auswirkungen der heimischen Isolation. Dass diese existieren ist bekannt: der Wegfall informeller Kommunikation sowie die Unpersönlichkeit und Künstlichkeit der "Unterhaltung mit dem Bildschirm" können belastend sein und im schlimmsten Fall krank machen. Dem durch Einzelgespräche, Online-Teamevents oder ähnliche Massnahmen zu begegnen muss in einem Remote-Setting zum Repertoire eines Scrum Masters oder Agile Coaches gehören.

Als weiteres Themengebiet kommt die Erhaltung der Liefer- und Reaktionsfähigkeit der Entwicklungsteams und -abteilungen dazu. Eine erste Studie lässt befürchten, dass Remote-Arbeit hier negative Effekte haben kann: ihr zufolge werden Releases grösser und seltener, Durchlaufzeiten steigen und Nacharbeiten werden häufiger. Den Entwicklern diese (sich oft schleichend entwickelnden) Probleme und ihre möglichen Konsequenzen bewusst zu machen und mit ihnen Gegenmassnahmen zu erarbeiten dürfte von zentraler Bedeutung für Effektivität, Produktivität und Qualität der Arbeitsergebnisse sein und damit auch Auswirkungen auf Markterfolg und Zukunftsfähigkeit des ganzen Unternehmens haben. Gerade in der gegenwärtig angespannten wirtschaftlichen Lage ein gewichtiges Argument dafür, "den Methodiker" nicht wegzusparen sondern aufzuwerten.

Zusammengefasst: auch und gerade in der neuen Remote-Arbeitswelt gibt es mehr als genug zu tun für Scrum Master oder Agile Coaches, alleine das sollte Grund genug sein sie willkommenzuheissen. Es kommt aber noch ein weiterer dazu - wir werden zur Zeit aus unserer Komfortzone herausgestossen. Denn machen wir uns nichts vor, sich nicht mit Tools zu beschäftigen, Moderationen ins Team zu delegieren und sich aus technischen Themen herauszuhalten kann zwar gut begründet werden, es ist aber für den der all das unterlässt auch sehr bequem. Diese Bequemlichkeit gegen eine ungewohnte, fordernde und lernintensive Arbeitswelt einzutauschen mag Manchen erschrecken, es ist aber nicht das Schlechteste was uns passieren konnte, ganz im Gegenteil.

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