Dienstag, 3. Januar 2023

Kickoff Meetings

Bild: Unsplash / Florian Schmetz - Lizenz

Häufig am Anfang des Jahres aber auch zu anderen Zeitpunkten finden sie statt: die Kickoff-Events. Dabei handelt es sich in der Regel um grosse Veranstaltungen für alle Beteiligten eines neu startenden Projekts oder einer neu startenden Programmlinie, mit dem Ziel Zusammenhalt und ein gemeinsames Verständnis der anstehenden Aufgabe zu schaffen. Vieles davon ist gut, einige eigentlich wichtige Elemente fehlen aber leider fast immer. Zeit für einen näheren Blick.


Was fast immer gegeben ist, ist die Präsentation des grossen Zielbilds. Aus diesem Grund starten wir dieses Vorhaben, aus jenem Grund ist es besonders wichtig für das Unternehmen und aus folgendem Grund passt es gut zu dem bereits vorhandenen Leitbild oder der bereits verkündeten Strategie. In der Regel ist das der beeindruckendste Teil, mit beeindruckender Bühne, Vorstands-Rede, Erfolgsmeldungen der Vor-Projekte und ggf. mit Multimedia-Show.


Anschliessend daran erfolgt meistens die Darstellung des mehr oder weniger detaillierten Projektplans, mit Liefergegenständen, Meilensteinen und Lieferdaten. Meistens mit einer zeitlichen Darstellung verbunden kann man aus ihm z.B. ablesen welche Tätigkeiten in welcher Phase stattfinden sollen, häufig aber auch welches Budget für welchen Zeitraum eingeplant ist, welche Einheit wann beteiligt wird und wo dadurch Abhängigkeiten entstehen. 


Falls das neue Vorhaben auch mit einer relativ neuen Vorgehensweise durchgeführt werden soll (Stichwort "Agiles Pilotprojekt") kann ein weiterer Teil folgen in dem auch das näher beleuchtet wird. Ein beliebtes Element ist der Vortrag eines "Thought Leaders" oder eines Menschen der in einem anderen Unternehmen schon erfolgreich so gearbeitet hat, ebenfalls gerne gezeigt werden Videos vom geschäftigen Gewusel eines PI-Plannings oder eines Design Thinking-Workshops.


Emotional und bewegend ist schliesslich der Socializing-Teil. Je nach Kontext kann der unterschiedliche Formen annehmen: Speeddating von Entwicklung und Fachabteilung, Gruppen-Challenges, gemeinsame Führungen durch die zukünftigen Arbeitsräume, Exkursion zu den Nutzern des zu erstellenden Produkts oder Services (in Shopfloor, Frontoffice, etc) und nicht zuletzt eine abendliche Feier in einer ausgefallenen Location oder einem eigens dafür umgestalteten Bereich des Firmengeländes.


Soviel zum üblichen Ablauf, und um es klar zu sagen: in vielen Fällen ist der gut. Allerdings - vor allem dort wo gut planbare Tätigkeiten in einem berechenbaren Umfeld stattfinden. In einem komplexen Umfeld, also dort wo man von ungeplanten Entwicklungen, ungeahnten Problemen und sich ändernden Rahmenbedingungen ausgehen muss, sollten noch weitere Teile dazukommen, die dabei helfen können schon im Kickoff Meeting zu erkennen wo die Reise hingeht.


Für alle bei die jetzt laut "Feedback-Schleifen" rufen wollen: nicht falsch, aber noch zu früh. Um Feedback geben zu können sollte klar sein, woran man erkennen kann, dass etwas fertig genug ist um Gegenstand von Feedback zu werden - und diese Kriterien sollten nicht quantitativ sein (alle Arbeitspakete vom Typ B sind abgeschlossen) sondern qualitativ (z.B. ein Prototyp kann auf der Hausmesse Funktion X vorführen). Diese Kriterien können im Kickoff vorgestellt werden.


Aufbauend darauf sind die Feedback-Schleifen aber der nächste Schritt. Vor allem dort wo sie bisher wenig verbreitet waren macht eine Vorstellung in der Auftaktveranstaltung Sinn, da eine konkrete Erläuterung einzelner Formate (denkbar sind z.B. KVP-Boxen, skalierte Retrospektiven, Focusgruppen-Befragungen, MVP-Vorführungen, Marktforschung und vieles mehr) den eher abstrakten Feedback-Begriff verständlicher und greifbarer machen kann.1


Vor allem könnte man in Kickoff Meetings aber etwas machen, dass für fast alle Firmen so brisant ist, dass es nicht einmal ernsthaft diskutiert wird: erklären was passieren wird, wenn die Realität deutlich von den ursprünglichen Plänen abweichen sollte. Wann (und wie) würden Kurskorrekturen stattfinden, unter welchen Bedingungen würde die Reissleine gezogen und (besonders brisant) bei welchem Grad der Fortschritts- oder Zielverfehlung würde ein Abbruch des Vorhabens erwogen werden?


Wer die in grossen Unternehmen häufige Effizienz-Focussierung und Fehlervermeidungskultur kennt, wird ahnen können, warum die zuletzt genannten Punkte in den Kickoffs nur selten vorkommen. Wer die Unwägbarkeiten der komplexen Produktentwicklung kennt wird aber auch ahnen, welche positiven Auswirkungen auf agiles Arbeiten sie haben könnten. Wie so oft gilt: mann kann sie ja vorschlagen und sich überraschen lassen was dann passiert.



1Natürlich könnte man erwarten, dass bereits bei der Vorstellung der neuen Arbeitsweisen von Feedback-Schleifen die Rede ist, (zu) häufig geht es da aber vor allem um Rollen, Meetings und Lieferzyklen

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