Donnerstag, 31. August 2023

Kommentierte Links (CIV)

Bild: Unsplash / Fabio Bracht - Lizenz
Das Internet ist voll von Menschen die interessante, tiefgründige oder aus anderen Gründen lesenswerte Artikel schreiben. Viele dieser Texte landen bei mir, wo sie als „Food for Thought“ dazu beitragen, dass auch mir die Themen nicht ausgehen. Wie am Ende jedes Monats gibt es auch diesesmal wieder eine kommentierte Übersicht über die erwähnenswertesten.

Johanna Rothman: How to Predict When the Team Will Complete a Specific Backlog Item (Part I, Part II, Part III)

Einmal mehr ein grosser Klassiker: ein wichtiger Stakeholder fragt, wann ein bestimmtes, sehr grosses oder im Backlog weit unten stehendes Feature fertig werden wird. Was antwortet man ihm? Johanna Rothman gibt eine sehr differenzierte und darum auch sehr lange Antwort darauf. Zum einen liefert sie Argumente für eine Erklärung, warum eine exakte Vorhersage nicht so einfach möglich ist, sie zeigt aber auch mögliche Gründe und Systemzwänge auf, die dafür sorgen, dass diese Frage immer wieder gestellt wird. Hervorzuheben ist, dass sie es sich nicht einfach macht und zum blossen "Nein sagen" aufruft (das häufig nur in Konflikte und Eskalationen führt) sondern Ideen nennt, wie man aus dieser Frage ein Gespräch auf Augenhöhe machen kann.

Enzo Avigo: The Rise of Engineering-Driven Development (EDD)

Ich gebe es zu, neue methodische und organisatorische Ansätze triggern mich. Sobald ich von einem neuen höre möchte ich ihn kennenlernen, verstehen und irgendwo selber ausprobieren. Das von Enzo Avigo vorgestellte Engineering Driven Development gehörte für mich in diese Kategorie. Mit (beabsichtigten oder versehentlichen) Parallelen zu Extreme Programming geht es in ihm darum, Verantwortlichkeiten in das Entwicklungsteam zu verlagern die in den meisten klassischen Organisationen bei einer Fachabteilung liegen und in vielen agilen Organisationen beim Product Owner oder Product Manager. Ein grundsätzlich gute (da in Richtung crossfunktionales Produktteam gehende) Idee, wenn auch mit dem Risiko hoher Cognitive Load.

Chris Combe: Organizing agile coaches

Hinter der scheinbar simplen Frage, wie man Agile Coaches organisiert (d.h. wie man sie in Aufbau- und Ablauforganisation einbindet) steht eine erstaunliche Menge von Aspekten: wie werden sie (intern oder extern) rekrutiert, wie ist ihr Karrierepfad, woher kommt das Budget für sie, bilden sie eine zentrale Einheit oder sind sie dezentral in den Produktteams verortet, haben sie einen gemeinsamen Auftrag (und wenn ja welchen?), ist der mit den Unternehmenszielen übereinstimmend, wie wird ihre Wirksamkeit gemessen (was spätestens bei den nächsten Gehaltsverhandlungen relevant wird), etc. etc. etc. Chris Combe hat nicht auf alle dieser Punkte eine Antwort, aber zumindest einige Erfahrungswerte. Und allein all diese Fragen zusammengetragen zu haben ist bereits hilfreich.

Jeff Gothelf: Who owns product discovery?

Eine weitere scheinbar einfache Frage, diesesmal eine die eher in Richtung Produktmanagement geht. Wer hat in einem agil arbeitenden Unternehmen eigentlich die Verantwortung für die Product Discovery, also dafür, die Wünsche der (potenziellen) Kunden herauszufinden und aus ihnen kommerzialisierbare Features und Services abzuleiten? Die Antwort, die Jeff Gothelf anbietet, ist zwar das übliche "kommt darauf an", allerdings verbunden mit dem richtigen Hinweis, dass es am Ende nicht zielführend sein kann, diese Tätigkeit durch einzelne Gruppen monopolisieren zu lassen. Zielführender wäre eine demokratisierung des Kundenzugangs, allerdings mit einem wichtigen Vorbehalt: allen die Product Discovery betreiben muss bewusst sein, was die übergreifende Firmenstrategie ist. Ohne dieses Bewusstsein droht Wildwuchs.

Boris Palmer: Lasst die Kommunen doch bitte machen

Boris Palmer ist (zurückhaltend gesagt) ein häufig kontrovers auftretender Politiker, bei dessen Debattenbeiträgen man nie sicher sein kann, ob sie groben Unfug oder wertvolle Impulse enthalten. Dieser hier gehört in die zweite Kategorie und ist auch auf Kontexte ausserhalb der staatlichen Verwaltung übertragbar. Die (vereinfachte) Kernaussage ist, dass es möglich sein sollte in begründeten Ausnahmefällen von Vorschriften abzuweichen, nämlich dann wenn diese zwar Aufwände erzeugen, ihren eigentlichen Zweck an einer speziellen Stelle aber nicht erfüllen. Eigentlich sollte man denken, dass das Common Sense ist, oft ist es das aber leider nicht.

Related Articles