Donnerstag, 24. August 2023

The Agile Bookshelf: Actionable Gamification

Gamification gehört zu den Techniken, denen man im Umfeld agiler Teams immer wieder begegnet. Ob in der Wissensvermittlung, für Aufwandsschätzungen oder in Retrospektiven, an vielen Stellen werden spielerische Elemente eingesetzt. In den meisten Fällen sind diese Elemente von irgendwo übernommen worden ohne sie gross zu hinterfragen - warum auch, schliesslich funktionieren sie ja. Das heisst aber natürlich nicht, dass es keine dahinterliegenden Theorien gibt - sie sind nur eher unbekannt.


Ein Buch mit dem man sich den zugrundeliegenden Mechanismen nähern kann ist Actionable Gamification - beyond Points, Badges, and Leaderboards von Yu-Kai Chou. Er hat nicht nur über zwei Jahrzehnte das Thema Gamification erforscht, sondern auch ein darauf basierendes Modell entwickelt (das Octalys-Framework), das es möglich macht Ursachen, Zusammenhänge und Erfolgsfaktoren für eigene Erfindungen und Anwendungen von Gamification zu erkennen.


Actionable Gamification beginnt mit einer Definition dessen was Gamification ist: die Integration von Spass machenden, unterhaltenden und Engagement fördernden Elementen in Arbeits- und Freizeit-Aktivitäten. Da sie die Interaktion des Menschen mit seiner Tätigkeit in den Mittelpunkt stellt, und nicht nur deren Zweck, ist sie eher primär Human-zentriert als primär Funktions-zentriert (selbst wenn es in den meisten Fällen eine zugrundeliegende Funktion gibt).


Aufbauend auf dieser Grunderkenntnis ist das Octalys-Framework um acht verschiedene Motivatoren aufgebaut, durch deren Addressierung bewirkt werden kann, dass sich die Empfindung von Spass und unterhalten Sein und der Wunsch nach Engagement einstellen. Hinter ihnen stehen nochmals weiterführende Erkenntnisse und Überlegungen (z.B. die Aktivierung bestimmter Gehirnregionen und Emotionen), die im Buch weiter erläutert werden. Die Motivatoren sind die Folgenden:


Epic Meaning & Calling

Übersetzbar als das Gefühl an etwas Grossem zu arbeiten oder zu Grossem berufen zu sein. Was dieser übergreifende Zweck ist kann je nach Kontext (Benutzungs-Erfahrung, Change Management, Produkt-Entwicklung, etc.) unterschiedlich sein, gmeinsam ist das Framing als grosse (Gemeinschafts-)Aufgabe.


Development & Accomplishment

Hier geht es um die Wahrnehmung Fortschritte zu erzielen und ggf. Hindernisse zu überwinden, wodurch (bestenfalls kontinuierliche) Erfolgserlebnisse erzeugt werden. Wird häufig durch "Challenges" oder Wettbewerbe erzeugt.


Empowerment of Creativity & Feedback

Eine Verknüpfung von zwei Faktoren. Zum einen wird der eigenen Phantasie Freiraum gegeben, zum Anderen erfolgt dafür eine Belohnung indem die so erzeugten Ergebnisse gelobt oder weiterverwendet werden. Ein klassischer Anwendungsfall ist Design Thinking.


Ownership & Possession

In diesem Zusammenhang vermutlich am besten zu übersetzen mit Kontrolle und Aneignung. Es wird das Gefühl erzeugt, über etwas (was auch immer) frei entscheiden zu können und Ergebnisse (Auszeichnungen, Rekorde, o.ä.) werden mit der eigenen Person verbunden.


Social Influence & Relatedness

Diese beiden Konzepte drehen sich um Beziehungen. Zum einen um die zu anderen Menschen, mit denen man gemeinsam an einer Aufgabe arbeiten kann, zum anderen zu Objekten oder Handlungen mit denen man gute Erinnerungen verbindet. Ein Beispiel wäre eine Gruppenarbeit in Lego Serious Play.


Scarcity & Impatience

Auch eher negative Motivatoren gehören zur Gamification. Kanappheit erzeugt den Wunsch, etwas (ggf. als einziger) zu besitzen, langwierige Erwerb-Prozesse den ungeduldigen Wunsch, es endlich zu haben (und den Prozess zu beschleunigen). Sehr kraftvolle Effekte, aber mit Vorsicht einzusetzen.


Unpredictability & Curiosity

Hinter diesem Motivatoren-Paar steckt ein banaler, aber selten berücksichtigter Zusammenhang: wenn man Neugier erzeugen will, braucht man auch (als solche wahrgenommene) Ungewissheit, nur dann ist die Zukunft so offen, dass man auf neue Entwicklungen wirklich neugierig sein kann.


Loss & Avoidance

Noch einmal eher negative Motivatore. Auch die Sorge (im Rahmen von Gamification errungene) Dinge zu verlieren und der Wunsch anstrengende oder enttäuschende Situationen zu vermeiden können starke, aber mit Vorsicht einzusetzende Faktoren sein.


***


Wer Gamification-Ansätze für die eigene Arbeit entwickeln will (eine Idee die vielen Scrum Mastern, Agile Coaches und Trainern früher oder später kommt) kann mit sich Actionable Gamification, bzw. dem in ihm enthaltenen Octalysis-Framework eine Checkliste erstellen, anhand derer überprüfbar ist, wie viele Motivatoren im eigenen Ansatz adressiert werden. Das müssen natürlich nicht alle sein, aber je mehr desto besser.

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