Montag, 5. Februar 2024

KVP im Bürgeramt

Zu meinen Lieblingsbeispielen für kontinuierliche Verbesserungsbemühungen zählen Einrichtungen, die man damit nicht sofort assoziieren würde: deutsche Behörden. Optimiert wird auch in ihnen, und da man sie nur in relativ grossen Abständen aufsucht, ist die Chance gross, dass einem jedesmal irgendetwas auffällt, das anders ist als beim letzten mal. In meinem Fall sind es die Bürgerämter meiner Wohnorte (z. Zt der Stadt Bonn), in denen ich etwa einmal pro Jahr erscheinen muss.


Bevor wir zu meinen Beobachtungen kommen, macht zuerst eine kurze Erläuterung zu dem "Verbesserungsgegenstand" Sinn: das was im Bürgerzentrum regelmässig optimiert wird, ist der Durchfluss von Kunden, also Bürgern, die für irgendeinen Verwaltungsakt dort vorstellig werden müssen. Um diesen eine möglichst gute Service-Erfahrung zu geben, und um die Servicekräfte optimal auszulasten, sollten Staus und Wartezeiten so gering wie möglich sein.


In der weit zurückliegenden Anfangszeit der Optimierungen war das noch nicht der Fall. Jeder der mit einem Termin oder als Laufkundschaft zur Stadt kam meldete sich an, setzte sich in einen Warteraum und wartete dort darauf, dass der eigene Name aufgerufen wurde. Wie lang das dauern würde liess sich nicht absehen, Wartezeiten von über einer Stunde waren nicht selten. Diese Unklarheit über die verbleibende Wartezeit war das erste, das durch eine Prozessanpassung behoben wurde.


Irgendwann wurden Wartenummern eingeführt, zu Beginn noch solche in Papierform, die man sich aus einem vor Ort stehenden Automaten ziehen musste. Aufgerufen wurden jetzt nicht mehr die Namen sondern die Nummern, wodurch sich erkennen liess, wie viele andere Personen vor einem selbst bedient werden würden. Liess sich so erkennen, dass es noch dauern würde, konnte man kurz vor die Tür gehen, Geld in die Parkuhr werfen, etwas rauchen oder sonstige kurze Erledigungen machen.


Der nächste Verbesserungsschritt war die Einführung grosser Bildschirme, auf denen die zuletzt aufgerufenen Nummern angezeigt wurden. Für den Fall, dass man verspätet eintraf oder den eigenen Aufruf überhört hatte, konnte man dort sehen, dass man bereits an der Reihe war. Eine darauf aufbauende Verbesserung bestand daraus, dass dort auch die Tischnummer der nächsten freien Servicekraft angezeit wurde, wodurch der bis dahin nötige Gang zum Zentralschalter entfiehl.


Die hinter der Anzeigetafel arbeitende Software wurde später mit einer weiteren verbunden, mit der man Terminbuchungen online vornehmen konnte. Sobald man einen Termin gebucht hatte erhielt man eine Mail. in der nicht nur die Terminbestätigung stand, sondern auch die Wartenummer. Vor Ort musste man dadurch nicht mehr eine Nummer ziehen und warten, sondern konnte direkt überprüfen, ob man bereits aufgerufen wurde.


Die vorerst letzte Optimierung, die mir bei meinem letzten Besuch aufgefallen ist, besteht darin, dass man jetzt vor Ort grosse Touch-Displays hat, auf denen man durch Eingabe seiner online gebuchten Wartenummer mitteilen kann, dass man angekommen ist und aufgerufen werden kann. Verspätungen sind dadurch kein Problem mehr, man rutscht stattdessen weiter nach hinten in die Reihenfolge, aus der zuerst andere Nummern aufgerufen und bedient werden können.


Weitere Prozessverbesserungen dürften in diesem Zeitraum auch ausserhalb des für die Kunden sichtbaren Bereichs stattgefunden haben, alleine im Bereich der Digitalisierung kann man sich so einiges vorstellen. Über die Jahre wird es so zu einem ingesamt beachtlichen Umfang von Veränderungen gekommen sein.


Diese Art der nach und nach stattfindenden Optimierung hat mehrere Vorteile gehabt: grosse, disruptive Veränderungen wurden unnötig, die Folgen der jeweils letzten Umstellung liessen sich aufgrund der kleinen Umfänge besser identifizieren und bewerten, und in Summe ist es so zu einem Prozess gekommen, der nicht nur gut funktioniert, sondern auch einer ist, auf den beim Versuch alles im Voraus zu planen vielleicht niemand gekommen wäre.


Zuletzt hat der KVP (Kontinierliche Verbesserungsprpzess) im Bürgeramt noch einen Vorteil auf der Meta-Ebene: er hat an einem Ort stattgefunden, den jeder Mensch in Deutschland kennt, ins Bürgeramt muss früher oder später jeder. Es ist damit ein Praxisbeispiel das sofort jeder nachvollziehen kann und anhand dessen man Prozessoptimierungen auch für Menschen, die selten damit zu tun haben, nachvollziebar erklären kann.

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