Montag, 15. Januar 2018

Remote-Arbeit (II)

Bild: Startup Stockphotos - CC0 1.0
Dieser Text hier knüpft an einen anderen an, geschrieben nebenan auf Medium von Martin de Wulf. Unter dem Titel "The Stress of Remote Working" zählt er auf welche negativen Aspekte es in der IT mit sich bringt wenn man nicht mit den Kollegen im Büro sitzt sondern von zu Hause aus arbeitet. Sein Focus liegt dabei auf den negativen Begleit- und Folgeerscheinungen für den Einzelnen. Allein diese Punkte sind schon ein Argument gegen derartige Remote-Arbeit, und dabei geht er auf die dazukommenden negativen Auswirkungen auf die Teamarbeit nur am Rand ein (dazu später mehr). Seine zentralen Gedanken sind:

Remote-Arbeit führt zu einer "Dehumanisierung" des Alltags. Da der Großteil der Kommunikation nicht mehr direkt mit Menschen stattfindet sondern mit dazwischengeschalteten Computerprogrammen (Jira, Trello, Slack, etc) geht der soziale Austausch verloren, mit den erwartbaren Folgen: Abnahme von Gruppenzugehörigkeit und Gruppenidentität sowie Wahrnehmung des Teams/der Firma als sozial und emotional kalte, technisch-mechanische Einheit. Im Umkehrschluss wird auch das eigene Verhalten bewusst oder unbewusst kälter und abweisender.

Abgeleitet davon kommt es zu Vereinsamungseffekten: zur Degenerierung sozialer Fähigkeiten (bzw. zur Regression auf das Niveau der zu Hause betreuten Kinder), zu Verlust von Bekanntschaften, Freundschaften und Netzwerken und in Folge dessen zu einem Rückgang von Status und Karrierechancen. Das übrigens beruht sowohl auf bewussten als auch auf nichtbewussten Faktoren wie dem Verzicht auf das Netzwerken in Kantine und Kaffeeküche (bewusst) und geringerer Wahrnehmbarkeit im Arbeitsalltag (unbewusst).

Nicht zuletzt treten Multitasking und Überarbeitung auf. Durch die Verlagerung der Kommunikation auf Mail, Chat und Tickettools kommt es zu einem ständigen Eintreffen geschriebener Nachrichten zu den verschiedensten Themen, oft zur selben Zeit parallel. Durch die zeitgleich stattfindene Vermischung von Privat- und Berufsleben entstehen nochmals weitere Störungen (Kinder, Hausarbeit, etc). In Kombination mit dem Fehlen eines Büroschlusses und der Tatsache, in der Firma primär über Arbeitsergebnisse wahrgenommen zu werden, tritt ein starker Anreiz auf die verlorene Effektivität durch Mehrarbeit auszugleichen.

Soweit de Wulf. Zusätzlich zu seinen Punkten gibt es aber noch eine weitere negative Auswirkung von Heim-, bzw. Remote-Arbeit auf die Team- und Organisationsebene: die Kommunikation und mit ihr auch der gesamte Arbeitsablauf der Firma wird ineffektiv. Ohne physische Boards und Charts tritt der Box hides answer-Effekt auf, ohne die implizite Kommunikation des informellen Austauschs in Kantine und Kaffeeküche fehlen Kontext-Informationen, ohne direkte nonverbale Kommunikation fallen unbewusste Hinweise auf Probleme unter den Tisch. Schlecht abgestimmte oder redundante Arbeit sind die Folgen.

Dass es trotzdem den verbreiteten Wunsch nach Heimarbeit gibt hat nachvollziehbare Gründe: die zu Hause zu betreuenden Kinder, die Unannehmlichkeiten des täglichen Arbeitswegs und die individueller gestaltbare Einrichtung sind einige. Angesichts der möglichen Auswirkungen sollten aber sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber sich gut überlegen ob diese Vorteile wirklich die Nachteile aufwiegen.

Related Articles