Donnerstag, 26. März 2020

Backlogs

Bild: Pixabay / Pandapotter - Lizenz
Sprachen sind komplizierte Konstrukte. Selbst die mit der wir aufgewachsen sind hält Unklarheiten und Doppeldeutigkeiten bereit, bei Fremdsprachen ist es noch einmal schwieriger. Wenn dann auch noch spezifische Fachbegriffe dazukommen besteht die grosse Gefahr von Fehldeutungen. Ein Fall in dem das leider immer wieder vorkommt ist einer der zentralen Begriffe der Agilität: das Backlog.

Würde man eine beliebige Anzahl von Product Ownern um eine Erklärung bitten was das denn überhaupt ist, dieses Backlog, käme in fast allen Fällen eine ähnliche Antwort zu Stande. Die meisten würden sich darauf einigen, dass es sich um einen Vorrat an Arbeit, Herausforderungen oder Aufgaben handelt, aus dem sich das Team bedient um durch die Umsetzung Mehrwert zu schaffen. Viele würden noch Ergänzungen anbringen wie User Stories, Sprint-Ziele oder priorisiert, aber der Grundtenor wäre gleich.

Das Problem dabei: das ist nicht das was der Begriff eigentlich bedeutet und es wird der Intention auch nicht gerecht mit der er in Scrum übernommen wurde. Diese "überraschende" Bedeutung (die jeder problemlos in jedem beliebigen Wörterbuch nachschlagen könnte) ist nämlich eine andere: Backlog bedeutet ins Deutsche übersetzt Rückstau. Und dieses Wort ist etwas komplett anderes als ein Arbeitsvorrat.

Ähnlich wie im Strassenverkehr ist ein Rückstau etwas was man eigentlich nicht haben möchte. Er bildet sich hinter Engpässen, Blockaden oder in überlasteten Systemen, er steht sinnbildlich für verlorene Zeit und ungenutzte Ressourcen und - am schlimmsten - er ist selbst Ursache für noch mehr Verzögerungen. Um das zu verstehen reicht es aus sich neben eine Bahnschranke zu stellen. Geht sie hoch fahren die aufgestauten Autos nicht sofort alle los sondern erst nach und nach, je weiter entfernt desto später. Ähnliche Phänomene zusätzlicher Verspätungen gibt es auch bei der Arbeitsplanung.

Aus diesem Grund1 ist es ein zentraler Aspekt eines Backlogs, dass es so kurz wie möglich sein sollte. Je besser das gelingt desto geringer sind die negativen Auswirkungen. Natürlich bedeutet das nicht, dass ohne Plan einfach losgearbeitet wird. Es muss eine langfristige Produktvision geben und um die zu erreichen muss im Just in Time-Verfahren immer so viel Arbeit abgeleitet und heruntergebrochen werden, dass in der nächsten Zeit genug zu tun ist.

Aber: das sollte nur in einem Ausmass passieren, das klein genug ist um einen grösseren Rückstau zu vermeiden. Und sollte der doch einmal entstehen muss man das nicht hinnehmen sondern kann ausmisten.


1Und ausserdem zu zu verhindern, dass ggf. für eine Zukunft geplant wird die so gar nicht eintritt.

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