Montag, 4. Juli 2022

Kultur

Bild: Unsplash / Richard Tao - Lizenz

Man kann fest davon ausgehen - wann auch immer eine Organisation sich in Richtung New Work, agile Produktentwicklung oder Vergleichbares verändern will wird sehr bald jemand anmerken, dass man dafür auch an der Kultur arbeiten müsste. Das ist auch grundsätzlich richtig, stösst aber schnell auf ein Problem: nur die wenigsten Menschen können beschreiben was sie unter Kultur verstehen. Da ein gemeinsames Verständnis aber die Grundlage der weiteren Schritte ist sollte man es zuerst herstellen.


Der Begriff Kultur definiert sich ursprünglich lediglich durch seine Abgrenzung zu einem anderen: zur Natur. Die Natur ist alles was auch ohne die Existenz Menschen vorhanden wäre, von der Plattentektonik über das Wetter bis hin zu Pflanzen und Tieren. Alle vom Menschen vorgenommenen Veränderungen an der Natur und alle menschlichen Erfindungen und Ideen sind dagegen Kultur, von der Sprache und der Landwirtschaft über die Musik und die Architektur bis hin zur Betriebswirtschaft und Informatik.1


Aus diesen Beispielen wird klar, dass es die eine einheitliche Kultur nicht gibt. Sie zerfällt in zahllose Subkulturen, die einer geografischen Region, einer historischen Epoche, einer Ethnie, einer Altersgruppe oder einer sozialen Gruppe entsprechen können. Zu der letzten gehören dann u.a. Gruppen mit gleicher Bildung, gleichem Einkommen, gleicher Religion, gleichem Beruf oder gleicher Zugehörigkeit zu einer Firma oder Organisation. Diese zuletzt genannte Subkultur ist die um die es in Change-Prozessen geht.


Eine solche Firmenkultur besteht dann aus verschiedenen Dimensionen. Zum einen den sichtbaren Artefakten wie Architektur, Dresscode und Corporate Design, aber auch Glaubenssätzen wie "ohne Vorschriften würde hier Chaos ausbrechen", Handlungsmaximen wie "im Zweifel eher anrufen als Emails schreiben" oder Gefühlen und Emotionen wie "wir sind hier alle eine grosse Familie". Je nach Einzelfall können noch weitere Dimensionen dazukommen.


All diese Dimensionen sind prägend für die Art wie in einer Firma oder Organisation mit Arbeit und mit den anderen Mitarbeitern umgegangen wird. Herrscht beispielsweise eine Untertanenkultur vor ("ich bin unwissend und machtlos, Veränderungen müssen von anderen kommen") wird ein auf Eigeninitiative und Verantwortungsübernahme basierender Arbeitsmodus kaum funktionieren, in einer Partizipativen Kultur ("ich kann Veränderungen bewirken, aber wenn ich sie will muss ich es selbst tun") dagegen schon.


Was mittlerweile ebenfalls klar geworden sein dürfte: es ist extrem schwierig eine Unternehmenskultur zu verändern, da sie im Wesentlichen in den Köpfen der Menschen existiert. Das heisst nicht, das es nicht ginge, es gibt bekannte Beispiele dafür. Eines des bekanntesten dürfte z.B. das Automobil-Werk im kalifornischen Fremont sein, das nacheinander von GM, Toyota und Tesla betrieben wurde und in der Zeit jeweils eine spürbar andere Firmenkultur (und dadurch bedingte Produktivität) gehabt haben soll.


Wie ein solcher Kulturwandel aussehen könnte ist nochmal eine eigene Geschichte, bevor derartige Schritte angegangen werden ist es aber wie gesagt eine gute Idee sich zuerst ein gemeinsames Verständnis dessen zu erarbeiten was man unter "Kultur" versteht. Erst dann ist es möglich zu überlegen ob sie überhaupt geändert werden kann, und wenn ja wie.



1Die Beschränkung des Kulturbegriffs auf die "schönen Künste" wie Schauspiel, Musik und Literatur ist lediglich eine alltagssprachliche Verkürzung

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