Freitag, 28. Juli 2023

The Agile Bookshelf: Why Managers Matter

Bild: Pxhere / Rawpixel - CC0 1.0

Es gibt zwei Informationen, die dabei helfen dieses Buch besser zu verstehen. Zum einen ist Why Managers Matter - The Perils of the Bossless Company von zwei Wissenschaftlern geschrieben, Prof. Nicolai J. Foss von der Wirtschafts-Hochschule Kopenhagen und Prof. Peter G. Klein von der amerikanischen Baylor University. Zum anderen ist es eine Streitschrift gegen die in der agilen Bewegung verbreitete Ansicht, möglichst ohne Manager auskommen zu können.


Inhaltlich besteht es aus zwei Teilen: im ersten, The Bossless Company, beschäftigen sie sich ausführlich mit den Argumenten, die für eine weitgehende Abschaffung von Management-Rollen ins Feld geführt werden, und untersuchen dabei auch mehrere Firmen, die immer wieder als Beispiele für eine derartige Struktur genannt werden. Im zweiten, Why Hierarchy Works, begründen sie, warum sie Manager weiterhin für unverzichtbar halten.


Die Kernaussage des ersten Teils ist, dass fast alle Argumente für eine "Bossless Company" lediglich auf anekdotischer Evidenz beruhen und nicht statistisch oder sonstwie wissenschaftlich untermauert sind. Unter hunderttausenden von Unternehmen weltweit wird in den Regel nur eine kleine Zahl als Beispiel angeführt (u.a. Valve, Semco, W. L. Gore, Zappos, Wikimedia, Morning Star), und selbst in diesen Fällen sind die tatsächlich verfügbaren Informationen meist oberflächlich und lückenhaft.


In dieser dünnen Informationsdichte sehen Foss und Klein einen Hauptgrund für die Verklärung dieser Unternehmen. Anhand der verfügbaren Informationen zeigen sie auf, dass die oft genannten Beispiel-Unternehmen keineswegs "bossless" sind, sondern lediglich andere Strukturmerkmale aufweisen. Statt auf formellen Hierarchien beruhen sie auf informellen Hierarchien und charismatischer Führung, was bedeutet, dass es dort sehr wohl Management und Bosse gibt, nur in weniger sichtbarer Form.


Neben diesen weichen Faktoren identifiziert das Buch auch strukturelle Gründe dafür, dass der Eindruck entstehen kann, bestimmte Firmen kämen ohne Management aus. Digitalisierung, Standardisierung, Modularisierung und Outsourcing ermöglichen seit den 80er Jahren ein Systemdesign, in dem die einzelnen Mitarbeiter in ihrem Beruf nur noch wenige, klar vordefinierte Handlungsoptionen haben. Die Notwendigkeit von direkter Anleitung und Kontrolle geht dadurch deutlich zurück, die Tätigkeit der Manager verlagert sich stärker auf die Arbeit an Prozessen.


Die Kernaussage des zweiten Teils ist, dass die Sinnhaftigkeit von strukturiertem Management nicht nur gegeben, sondern auch belegbar ist. In einem bewussten Gegenentwurf zu der zuvor genannten anekdotischen Evidenz werden seine Aussagen mit Verweisen auf wissenschaftliche Werke untermauert, die zum Teil grundlegend sind,1 sich zum Teil auf die Betrachtung prominenter Fallbeispiele beziehen und zum Teil auf Erhebungen in hunderten von Unternehmen beruhen.


Aufbauend auf der Entstehungsgeschichte moderner Unternehmen werden zentrale Vorteile von Management-Strukturen herausgearbeitet: hohe Effizienz (bzw. geringe Transaktionskosten), die Fähigkeit Entscheidungen schnell zu treffen, die Bereitschaft Risiken einzugehen (und zu verantworten) und die Fähigkeit unternehmensinterne Konflikte (auf einer höheren Hierarchie-Ebene) zu lösen, wenn die jeweiligen Konfliktparteien untereinander zu keiner Einigung finden können.


Dass all das durch Management-Strukturen möglich wird begründen Foss und Klein sowohl abstrakt (Management-Rollen schaffen Sichtbarkeit und Zuständigkeit) als auch am Beispiel verschiedener Hierarchie-Ebenen: während das Top-Level grosse Entscheidungen möglich macht, finden im Mittel-Management Brokerage and Bridging statt, also das Vermitteln, Ausdetaillieren und Konsolidieren von Informationen, so dass diese für die jeweilige Zielgruppe überschaubar und verständlich werden.


Umgekehrt zeigen sie an verschiedenen Fällen auf, dass zu viel Dezentralisierung und Delegation negative Folgen haben kann, bis hin zur strukturellen Unfähigkeit abteilungsübergreifend zusammenzuarbeiten. Als Beleg dafür werden verschiedene prominente Beispiele aufgeführt, von US-amerikanischen Bundesbehörden über die gescheiterte Daimler-Chrysler-Fusion bis hin zu wirkungslos bleibenden sozialen Grasswurzel-Protestbewegungen.


Wie zu Beginn gesagt, man muss The Bossless Company als Streitschrift verstehen, die an vielen Stellen pointiert und leicht überspitzt ist. Den Autoren sind die Schwächen von (zu viel) Management durchaus bewusst und diese werden auch immer wieder thematisiert und eingeordnet. Und ein ganzes Kapitel bezeichnet Hierarchie als etwas explizit Schlechtes, das nur deshalb zu bevorzugen ist, weil die Alternativen deutlich schlechter sind. Ein kassischen Bonmont.


Allen Befürwortern von flachen Hierarchien und dezentralen Entscheidungen kann man dieses Buch empfehlen, weil es verbreitete Glaubenssätze in Frage stellt. Man muss die Schlussfolgerungen von Foss und Klein nicht teilen, aber dass z.B. straff geführte Unternehmen wie Apple oder Marvel sich auf umkämpften Märkten behaupten können, während dezentralisierte wie Valve und Morning Star oft in Märkten mit wenig Innovation oder Wettbewerb entstehen, ist kaum zu bestreiten. Derartige Fälle zu kennen und einordnen zu können kann in Diskussionen nur hilfreich sein.


Zuletzt ist noch einmal die wissenschaftliche Arbeitsweise hervorzuheben. Auf ihren letzten 22 Seiten haben die Autoren ein umfangreiches Quellenverzeichnis zusammengetragen, dass ihre Untersuchungen, Analysen und Thesen untermauert und mit weiterführender Literatur anreichert. Ein Vorgehen, das man sich von vielen "Thougt Leadern" der Anti-Hierarchie- und Anti-Management-Bewegung auch wünschen würde.



1Dazu gehören u.a. die von John Smith, Max Weber und Friedrich Hayek, aber auch die von Wirtschafts-Nobelpreisträgern wie Ronald Coase oder Oliver Wiliamson

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