Samstag, 30. September 2023

Kommentierte Links (CV)

Bild: Unsplash / Fabio Bracht - Lizenz
Das Internet ist voll von Menschen die interessante, tiefgründige oder aus anderen Gründen lesenswerte Artikel schreiben. Viele dieser Texte landen bei mir, wo sie als „Food for Thought“ dazu beitragen, dass auch mir die Themen nicht ausgehen. Wie am Ende jedes Monats gibt es auch diesesmal wieder eine kommentierte Übersicht über die erwähnenswertesten.

Emily Webber: Bridging Silos and Overcoming Collaboration Antipatterns in Multidisciplinary Organisations

Dass die Aufteilung einer Organisation in Einheiten aus gleichartigen Spezialisten (so genannte "Silos") eine schlechte Idee ist, ist keine neue Erkenntnis. Warum das so ist ist häufig wesentlich unklarer, viele Begründungen beschränken sich auf abstrakte Schlagwörter wie "Kommunikations-Overhead" oder "fehlende Systemsicht". Emily Webber wird konkreter und nennt drei verbreitete nachteilige Folgen: die Aufteilung einzelner Spezialisten auf mehrere Teams (mit Termin-, Prioritäts- und Loyalitätskonflikten als Folge), Machtkämpfe zwischen den Silos auf Kosten des Gesamtsystems und die sich daraus ergebende Macht-Ungleichgewicht zwischen den Gewinner- und Verlierer-Silos. Auch beim Aufzeigen besserer Alternativen geht sie über die abstrakte Forderung nach einem crossfunktionalen Team hinaus. Wer schon immer den Unterschied zwischen Multidisziplinär, Interdisziplinär und Transdisziplinär wissen wollte, wird bei ihr fündig.

Łukasz Korecki: OKRs? More like, R U OK?

Ich bin schon seit langem skeptisch gegenüber OKRs, und Łukasz Korecki geht in seinem Artikel auf einige Gründe ein die auch ich kritisch sehe: Mit ihrer üblicherweise quartalsweisen Ansetzung der Objectives sind sie nicht besonders agil, mit ihrem Beharren auf messbaren Key Results verleiten sie zu Output statt Outcome, da sie wie alle anderen auf Messbarkeit ausgelegten Vorgehensmodelle eine starke Anfälligkeit für Goodhart's Law haben (When a measure becomes a target, it ceases to be a good measure) und zuletzt führt diese Art der Ergebnisfixierung zu einer Vernachlässigung von Lern- und Discovery-Bemühungen. Eine Beobachtung von ihm teile ich ebenfalls: positive Äusserungen über OKRs kommen fast nie von denen die damit arbeiten müssen, sondern fast ausschliesslich von denen die sie anordnen oder durch Trainings mit ihnen Geld verdienen.

Jason Yip: Continuous Integration / Continuous Delivery

Die technische Seite von Agilität wird leider manchmal vernachlässigt, weshalb es mich immer wieder freut wenn sie irgendwo Erwähnung findet. Jason Yip macht das, indem er auf die Frequenz eingeht, in der neu entwickelter Code mit dem bestehenden zusammengeführt wird. Indem er sich von den langen zu den kurzen Zeiträumen vorarbeitet kann er aufzeigen welche Probleme es bei den ersten gibt (der Begriff "Integration Hell" sagt eigentlich alles aus) und welche Vorteile die letzten haben. Gut ist, dass er nicht nur den bestmöglichen Weg hervorhebt (jeder Entwickler integriert seien neuen Code mindestens einmal täglich) sondern auch die verschiedenen Tests die dabei durchlaufen werden: nicht nur die Pre-Merge-Tests vor der Integration, sondern auch die Post-Merge-Tests danach.

Lukas Kijauskas: How much € does a full time Scrum Master save to a company per year?

Die Frage, ob ein Scrum Master oder Agile Coach sich wirtschaftlich rechnet, ist eine die immer wieder diskutiert wird. Den Versuch von Lukas Kijauskas die Leistung tatsächlich in Geld umzurechnen kann man daher eigentlich nur gut finden. Seine Berechnungen sollte man allerdings mit einem "Beipackzettel" lesen: die von ihm genannten Gehälter für Entwickler, Scrum Master und Product Owner entsprechen denen in Litauen und sind in Deutschland nochmal andere. Und seine Beispiele für das, was ohne einen Scrum Master, langsamer, ineffizienter und teurer sein würde sind vermutlich in seinem Arbeitskontext zutreffend, aber nicht überallhin übertragbar. Mit diesen Gedanken im Hinterkopf kann man sich aber von seinen Überlegungen inspierieren lassen, um für das nächste Gespräch gerüstet zu sein, in dem gefragt wird ob diese Rolle ihr Gehalt wirklich wert ist.

Christiaan Verwijs: The Double-Edged Sword Of Diversity In Teams

Man kann Christiaan Verwijs nur loben, den er hat sich etwas Wichtiges vorgenommen: er unterzieht die vielen Glaubenssätze und Annahmen die in der agilen Community verbreitet sind einer wissenschaftlichen Validierung. Nachdem er in der Vergangenheit bereits u.a. die Effektivität von Pair Programming und den Zusammenhang von Agilität und Firmengrösse untersucht und die Arbeitsergebnisse von Scrum und SAFe verglichen hat, ist es diesesmal der Einfluss, den eine diverse Zusammensetzung auf Entwicklungsteams hat. Basierend auf Befragungen von 1.118 Menschen aus 161 Teams ist seine Antwort differenziert. Je nach Art der Diversität (Alter, Geschlecht, Kultur, Hierarchie) kann es zu positiven Effekten kommen, eine grundsätzliche Regel, dass Diversität zu besserer Zusammenarbeit oder besseren Arbeitsergebnissen führt lässt sich aber nicht belegen. Ein weit verbreiteter Glaubenssatz ist damit in Frage gestellt. Das heisst natürlich nicht, dass man Diversität nicht aus anderen Gründen anstreben sollte, die häufig vorgenommene Verknüpfung mit wirtschaftlichen Vorteilen ist aber fragwürdig.

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