Agile Bang for the Buck
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| Bild: Unsplash / Ibrahim Boran - Lizenz |
Reden wir über Geld. Genauer gesagt, reden wir über das Geld, das eine eine Firma ihren Agile Coaches, Scrum Mastern und sonstigen agilen Methodenmenschen bezahlt, und reden wir über den Gegenwert, den die Organisation dafür zurückbekommt. Denn eines sollte eigentlich allen klar sein - nur wenn der Gegenwert dem Wert der Gehälter entspricht oder ihn übertrifft, werden diese Rollen langfristig in einem Unternehmen bestehen bleiben.
Relativ einfach ist es bei dem ersten Teil: abhängig von verschiedenen Faktoren1 ermitteln Portale wie Stepstone oder Kununu Gehälter, die irgendwo zwischen 50.000 € und 80.000 € liegen. Zu denen kommen allerdings noch die freiberuflichen Agile Coaches und Scrum Master, deren Tagessätze meistens zwischen 500 € und 800 € liegen, was sich bei 200 Tagen pro Jahr auf 100.000 € bis 160.000 € addiert und den Kosten-Durchschnitt entsprechend hebt.2
Insgesamt liegen dieser Durchschnitt vermutlich sogar noch höher. In grossen Konzernen, in denen es oft eine regelmässige de facto-Beförderungsgarantie gibt, können Scrum Master & Co mit der Zeit Gehälter von 150.000 und mehr erreichen, was sich wegen der meist dauerhaften Betriebszugehörigkeit aber kaum in den oben genannten Recruiting- und Ehemaligen-Portalen wiederspiegelt, wodurch deren Durchschnittswerte zu niedrig sein dürften.
Schwieriger wird es bei der Ermittlung des Gegenwerts, den eine Organisation für die Schaffung eigener agiler Methodenrollen zurückbekommt. Potentiell ist dieser immens, schliesslich können höhere Effizienz und Effektivität, weniger Bürokratie und Verschwendung und besserer Product Market-Fit schon bei kleinen Teams in sechs- oder manchmal sogar siebenstellige Beträge gehen. Da Agile Coaches und Scrum Master nur indirekt darauf einwirken, ist das allerdings kaum bezifferbar.
Was eher möglich ist, ist die Bewertung der Entwicklung, die ein Team nach dem Hinzufügen oder Entfernen eines agilen Methodikers nimmt. Auch das mit Vorsicht, da schnell Korrelation für Kausalität gehalten werden kann, aber mit steigender Aussagekraft, wenn mehr Teams in diese Betrachtungen einbezogen werden. Und das Beste - eine derartige Bewertung kann auf Basis bereits und anerkannter etablierter Metriken erfolgen.
Der Klassiker darunter sind die Effizienz-Metriken, die auch aus dem Lean Management bekannt sind, vor allem Lead Time und Cycle Time. Mit ihnen wird gemessen, wie schnell Arbeits- oder Wertschöpfungs-Pakete die Wertschöpfungskette von der Idee bis zur Auslieferung durchlaufen. Der Anspruch: mit einem Agile Coach oder Scrum Master im Team sollten diese Durchlaufzeiten sich mit der Zeit oder im Vergleich zu anderen Teams reduzieren.
Eine andere Möglichkeit sind aus dem DevOps-Bereich kommende Messgrössen, wie die Deployment-Häufigkeit, die durchschnittliche Menge des pro Deployments veränderten Code, die Durchschnittszeit einer Fehlerkorrektur oder des Zurücknehmens einer fehlerhaften Änderung oder ganz einfach der Betriebskosten. Um hier Wirkung zu erzielen ist eher die Spezialform eines Technical Coach nötig, der dann aber zu bedeutenden Verbesserungen führen kann und sollte.
Als letztes (zumindest in dieser kurzen Aufzählung) kommen Nutzungs- bzw. Akzeptanzmetriken dazu. Wie sind Verkaufszahlen, Nutzungs-, Absprung- und Konversionsraten, wie entwickeln sich die Anwender-Zufriedenheit und die Menge der Support-Calls, etc. Auch hier ist der Anspruch, dass sich diese Zahlen nach dem Hizufügen eines Agile Coach oder Scrum Master zum Team verbessern sollten, sowohl mit der Zeit als auch im Vergleich zu anderen Teams.
Um es zusammenzufassen: es ist zwar kaum möglich, den Mehrwert eines agilen Methodenmenschen separat zu beziffern, was dagegen oft geht ist aber eine Messung der besseren oder schnelleren Wertschöpfung oder der geringeren Bürokratie- oder Verspätungskosten eines gecoachten Teams. Und dann gilt die Faustregel, dass der so erzeugte oder eingesparte Wert mindestens den Ausgaben für den jeweiligen Agile Coach oder Scrum Master entsprechen sollten (siehe oben), damit der sich rentiert.
Um am Ende einen häufigen Einwand gegen eine solche Betrachtung aufzugreifen - ja es kann sein, dass der agile Methodiker alles richtig macht, dass aber keiner auf ihn hört, und es damit nicht an ihm liegt, dass sich nichts verbessert. Aus einer wirtschaftlichen Betrachtung heraus ist das aber kein starkes Argument. Denn wenn eine Ausgabe keinen entsprechenden Gegenwert erzeugt, dann ist sie in Frage zu stellen - unabhängig von Schuldfragen, allein aufgrund ökonomischer Sachzwänge.
Nachtrag:
Ein Feedback zu diesem Artikel hat einen weiteren Aspekt aufgeworfen: ein zusätzlicher betriebswirtschaftlicher Mehrwert, der durch Agile Coaching oder Scrum Mastering erzeugt werden kann ist, dass selbstorganisierte Team weniger Management brauchen - wodurch Manager von der Gehaltsliste verschwinden. Auch ein valider Punkt.
2Das ist die "Kosten-Perspektive", der beauftragenden Unternehmen. Viele Freiberufler sind nicht lückenlos beauftragt und verdienen entsprechend weniger
