Dienstag, 21. Oktober 2025

Steering Committees und Advisory Boards

Bild: Harris & Ewing / Library of Congress - Public Domain

Manche Dinge schliessen sich gegenseitig aus: Feuer und Wasser, Licht und Dunkelheit, Materie und Antimaterie, Selbstorganisation und Steering Committees. Soviel zum leicht polemischen Einstieg, hinter dem aber ein reales Problem steckt - das klassische Management-Instrument des Steering Committee kollidiert alleine aufgrund seiner Natur zwangsläufig mit allen Formen des Empowerment und der Selbstorganisation. Aber zum Glück gibt es eine Alternative.


Zunächst zur Definition: ein Steering Committee (auch Steuerungskreis, Lenkungsausschuss, o.Ä.) ist im klassischen Projektmanagement ein Gremium, das das übergeordnete Entscheidungen für ein einzelnes Projekt oder Programm treffen darf und soll. Wie das im Detail aussieht kann sich je nach Fall unterscheiden, weit verbreitet ist aber, dass Umfang, Qualität, Wirtschaftlichkeit und Zeitplan eines Projekts kontrolliert und ggf. durch Eingriffe korrigiert werden.


Die dahinter stehende Grundidee ist auch erst einmal vernünftig: grössere Projekte sind meistens derartig komplex, dass einzelne Personen kaum in der Lage sind, alle Dimensionen zu überblicken. Durch die Bildung eines Steering Committee aus verschiedenen Experten (z.B. Finance, Marketing, Sales, Legal, IT, Quality, Strategy und Customer Care) werden sie dagegen in der Breite abgedeckt - in gewisser Weise wird die Projektleitung dadurch crossfunktional, was eigentlich etwas Gutes ist.


Ein in der Realität immer wieder auftretende Ergebnis ist aber, dass durch derartige Einheiten Verzögerungen, Kosten und Qualitätsverluste entstehen. Zum einen wegen des Zeitaufwandes, der alleine dadurch entsteht, dass jedem Mitglied alle Informationen mitgeteilt und verständlich gemacht werden müssen, zum anderen aber auch dadurch, dass die im Kommittee versammelten Spezialisten gegenläufige Interessen haben und versuchen, sie durchzusetzen.


Die Beispiele kann man sich denken - der Finance-Vertreter möchte durch möglichst günstige Material- und Personal-Preise Kosten sparen, der Quality-Vertreter hätte dagegen gerne die besten (und dadurch teuersten) Werkstoffe und Teammitglieder. Der Sales-Vertreter möchte neue Features  möglichst schnell verkaufen, die Vertreter von IT und Operations möchten dagegen zuerst technische Schulden abbauen und eine hohe Betriebsstabilität sicherstellen. Etc., etc.


Das Bemerkenswerte an solchen Situationen ist, dass keines dieser Anliegen falsch ist. Für sich genommen sind sie sogar in der Regel hoch rational, wie oben gezeigt aber oft untereinander gegenläufig. Da aber jeder Spezialist aus dem Steering Committee zuerst seine Partikular-Interessen vertritt (was auch Teil seiner Stellenbeschreibung ist), führt das entweder zu Streit untereinander oder zu einer in Summe völlig unrealistischen Erwartungshaltung an das Umsetzungsteam.


Wenn dieses Umsetzungsteam dann auch noch selbstorganisiert sein soll, sind alle Voraussetzungen für eine weitgehende und dauerhafte Blockade gegeben. Sowohl der Versuch, es von aussen zu steuern, als auch die widersprüchlichen Signale in welche Richtung es gesteuert werden soll, führen zusätzlich zu den gegenläufigen Interessen innerhalb des Kommittees zu einem Konflikt zwischen Steuerung und Umsetzung, bzw. darum, bis zu welchem Grad sich das Umsetzungsteam überhaupt steuern lassen muss.


Aus diesem Dilemma gibt es mehrere Wege. Der (zumindest in grossen Organisationen) häufigste ist der, dass im Konfliktfall eine stärkere Führung angeordnet wird, was in den meisten Fällen ein Euphemismus für Micromanagement durch das Lenkungsgremium ist. Das beseitigt zwar den Konflikt mit dem (ab diesem Punkt nicht mehr) selbstorganisierten Umsetzungsteam, lässt die gegenläufigen Interessen innerhalb des Steering Committee aber weiter bestehen.


Ein wesentlich besserer Weg besteht darin, das Steering Committees zu einem Advisory Board (Beratungsgremium) zu machen, dass die Expertise seiner Mitglieder zwar weiter anbietet, aber keine zwingend zu befolgenden Vorgaben mehr machen kann. Einen vernünftigen Mittelweg zwischen den verschiedenen Einzelinteressen zu finden, obliegt dann dem empowerten und (teil-)autonomen Umsetzungsteam (bzw. dessen Projektleiter, Product Owner, o.Ä.).


Das wird vor allem dann möglich, wenn in diesem Rahmen darauf verzichtet wird, die einzelnen Mitglieder des Beratungsgremiums dafür verantwortlich zu machen, dass sie ihre Maximalvorstellungen umsetzen. Wird nicht darauf verzichtet, ist das ein starker Anreiz dazu, sie durch Eskalationen, Katastrophenszenarien, o.Ä. durchdrücken zu wollen. Wird dagegen darauf verzichtet, können sie ihren Standpunkt noch immer vermitteln, allerdings mit deutlich weniger Drama und Emotion.


Eine solche Konstellation bringt natürlich weitere Implikationen mit sich, von denen nicht alle unproblematisch sind. Wenn Umfang, Qualität, Wirtschaftlichkeit und Zeitplan eines Projekts nicht ausser Kontrolle geraden sollen, ist ein starkes Team mit unterstützendem Advisory Board aber erfolgversprechender als ein Steering Committee, in dem Vertreter starker Partikular-Interessen sich gegenseitig blockieren und widersprüchliche Umsetzungsvorgaben machen.

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