Kommentierte Links (LXIX)
Leicht verfrüht: die Kommentierten Links des Dezembers. Am letzten Tag dieses Monats folgt eine weitere Ausgabe, dann mit den Artikeln die es zu Unrecht nicht in die Kommentierten Links der vergangenen Monate geschafft haben.
Eine oft unterschätzte Herausforderungen beim Navigieren in einer sich ständig verändernden Welt besteht darin, erlernte Glaubenssätze und Verhaltensmuster regelmässig darauf zu überprüfen ob sie noch immer genau so sinnvoll sind wie zum Zeitpunkt zu dem man sie sich angeeignet hat. Ist das nicht mehr der Fall muss das eigene Verhalten geändert werden, was schwerer ist als man denken möchte - Vieles von dem was wir regelmässig tun wird alleine aufgrund der Routine (und natürlich auch aufgrund der vergangenen Erfolge) als so intuitiv richtig wahrgenommen, dass jede Abweichung davon sich wie ein Fehler anfühlt. Die Trennung von diesen scheinbaren Gewissheiten hat Barry O'Reilly unter dem Label "Unlearning" zu seinem Thema gemacht. In diesem Artikel gibt er eine gute Übersicht, es geht also nicht nur um die im Titel genannten Hindernisse sondern auch darum was er überhaupt unter Unlearning versteht und was gute Beispiele für seine Umsetzung sind.
In diesem Interview geht es um Wagnisse und Risiken, beziehungsweise um den Umgang damit. Siegbert Warwitz ist Psychologe mit dem Schwerpunkt der
Wagnisforschung, die er vor allem an Sportlern und Kindern betreibt, deren Erkenntnisse sich aber auch auf das Berufsleben übertragen lassen. Eine seiner zentralen Erkenntnisse ist dabei, dass das regelmässige Umgehen mit Wagnissen und Risiken zur Sicherheit im Umgang mit ihnen führt, wärend der Versuch sie zu vermeiden Ängste und Unsicherheiten verursacht, welche die Wahrscheinlichkeit von Unfällen sogar erhöhen. Interessant ist dabei auch die Abgrenzungen zwischen den ähnlichen Persönlichkeitstypen des "Wagenden", des (unverantwortlich handelnden) Hasardeurs und des das Wagnis nur simulierenden Teilnehmers an Pseudo-Risiko-Events (wie Bungee Jumping).
Stefan Kühl hat sich einen Namen gemacht als Kritiker des Hypes der mittlerweile um das Konzept der Agilität gemacht wird, und auch dieser Beitrag von ihm geht in diese Richtung. Im Gegensatz zu vielen anderen die sich an diesem Thema abarbeiten verfällt er allerdings nicht in undifferenziertes Bashing sondern arbeitet reale Probleme heraus, etwa die den Kontext ignorierende Übertragung aus der IT auf alle anderen Bereiche. Seine eigentlich bemerkenswerte These ist aber die, dass es seit den 60ern bereits eine Reihe von Management-Moden gegeben hat die er für weitgehend deckungsgleich mit der Agilität hält. An dieser Stelle hat er vermutlich Recht im Unrecht: ohne den IT-Bezug ist das Ganze tatsächlich nur noch einer von vielen Entbürokratisierungs- und Dezentralisierungs-Ansätzen - aber der IT-Bezug ist für die Agilität zentral und unterscheidet sie von ihren Vorläufern. Und in einer Zeit in der Prozesse und Systeme immer mehr verschmelzen ergibt sich daraus auch wieder eine übergreifende Bedeutung.
Das hier passt irgendwie zu den weiter oben verlinkten Überlegungen zu Unlearning und Wagnis: Jason Yip geht davon aus, dass es gerade die Unvollständigkeit und Unausgereiftheit eines Ansatzes ist die zu einem Erfolgsfaktor werden kann. Die scheinbare Einfachheit sorgt dafür, dass zu Beginn wenig Ablehnungen und Widerstände auftreten und es schnell zu einer grossen Verbreitung kommt, gleichzeitig führt die eingeschränkte Praxistauglichkeit dazu, dass ein ständiger Verbesserungsprozess in Gang kommt der nicht nur das Vorgehen kontinuierlich optimiert sondern auch dafür sorgt, dass die Beteiligten Zeit und Energie investieren müssen, weshalb sie sich dem Ergebnis stärker verbunden fühlen. Mit einer gewissen Ironie verbunden ist seine Ansicht, dass ausgerechnet SAFe ein Paradebeispiel für Unvollständigkeit und Unausgereiftheit ist - die Wahrnehmung durch seine Beführworter ist schliesslich die genau umgekehrte.
Die zentrale These dieses Artikels von Rob Lambert ist, dass es in den meisten Organisationen nur wenige zentrale Hebel gibt die man bedienen muss um zu mehr Agilität zu kommen. Bewusst und richtigerweise behauptet er nicht im Besitz absoluter Wahrheiten zu sein, als Ausgangspunkt für eine Entwicklung einer Transitionsstrategie sind seine Überlegungen aber gut zu verwenden. Und obwohl es am Ende wieder auf sehr globale Phänomene wie Arbeitsfluss, Transparenz, Zielklarheit und Empowerment zurückkommt gibt er auch einige konkrete Hilfestellungen mit indem er erwähnt wo man nach ihnen suchen kann und wie man sie erkennt.