Donnerstag, 31. Dezember 2020

Kommentierte Links (LXX)

Grafik: Pixabay / The Digital Artist - Lizenz
Normalerweise sammele ich in den kommentierten Links die jeweils interessantesten oder amüsantesten Artikel die ich im letzten Monat gelesen habe. Von Zeit zu Zeit kommt es aber vor, dass ich einen vorübergehend vergesse oder ihn erst entdecke Monate nachdem er erschienen ist. Hier sind die besten dieser "verpassten" Texte aus dem letzten Jahr.

  • Mirco Hering: Segregation of Duties in a DevOps world

    Die Segregation of Duties (auch Separation of Duties) kann bei einer agilen Transformation einer der grossen Stolpersteine sein. Wie soll es möglich sein in schneller Taktung benutzbare Ergebnisse zu liefern wenn interne oder externe Vorschriften festlegen, dass bestimmte zusammengehörende Schritte nicht von den selben Personen durchgeführt werden dürfen? Mirco Hering gibt einige Denkanstösse um zu zeigen wie in solchen Situationen vorgegangen werden kann (und noch mehr dazu gibt es von Jez Humble in den kommentierten Links des Oktobers).

  • Elaine Pulakos: Organizational Agility – It’s Not What You Think

    Die "es ist alles anders als Du denkst"-Artikel sollte man immer mit einer gewissen Vorsicht lesen, aber das was Elaine Pulakos hier schreibt scheint Substanz zu haben. Basierend auf 300 untersuchten Unternehmen identifiziert ihr Team drei Voraussetzungen von organisationsweiter Agilität: Stability before Change (stabiler Ausgangszustand vor Beginn der Veränderungsmassnahmen), Rightsized Teamwork (ständige Evaluierung wo funktionsübergreifende Arbeit nötig ist und wo nicht) und Relentless Course Correction (beinhaltet neben schneller Entscheidungsfähigkeit auch Fehlerkultur und Delegation). Schade ist, dass die geplanten Fortsetzungen im Sand verlaufen zu scheinen. Von den drei weiteren angekündigten Artikeln ist in mehreren Monaten nur einer erschienen.

  • Len Lagestee: How Organizational Silos Form

  • Eines der zentralen Ziele einer agilen Organisation ist die Auflösung organisatorischer Silos, bzw. das Verhindern ihrer Entstehung. Vor diesem Hintergrund macht es Sinn sich damit zu beschäftigen was diese Silos sind und wie sie entstehen. Len Lagestee hat sich diesem Thema von verschiedenen Seiten genähert, angefangen mit der Frage was unter diesem Begriff eigentlich zu verstehen ist über die Indikatoren durch die man erkennt, dass sie da sind, bis zu den Faktoren die zu ihrem Entstehen beitragen. Passend zum Namen seines Blogs (Illustrated Agile) enthält sein Beitrag auch eine Visualisierung der zuletzt genannten Faktoren. Gerade für die Vermittlung derartig komplexer Sachverhalte ist so etwas immer gut zu gebrauchen.

  • Jasmine Chia & Samuel Hagen: The Org Chart as Political Map-Making

    Es gibt Management-Werkzeuge die mittlerweile so selbstverständlich geworden sind, dass kam noch jemand darüber nachdenkt wo sie herkommen und in welcher Form sie von ihrer Organisation beeinflusst werden (und sie beeinflussen). Der Organizational Chart, auch Organigramm genannt, ist eines davon. Jasmine Chia und Samuel Hagen haben einen näheren Blick darauf geworfen, und das aus einer ungewöhnlichen Perspektive: analog zur Annahme, dass moderne Staaten erst durch die Entwicklung der Kartografie (der Erstellung von Landkarten) möglich wurden, gehen sie davon aus, dass moderne Organisationen und ihre Organigramme eine ähnlich verbundene Entstehungsgeschichte haben und sich auch in der Gegenwart noch gegenseitig beeinflussen.

  • Akio Toyoda: What is Toyota Production System?

    Dass das Lean Management (und die daraus entstandene agile Produktentwicklung) aus dem Toyota Production System (TPS) entstanden sind dürfte für die agilen Methodiker zum Standardwissen gehören, was sich genau hinter diesem verbirgt ist dann aber für viele schon deutlich unklarer. Dieser Artikel der firmeneigenen Toyota Times hilft hier weiter, da er seine Zusammenfassung direkt von der "höchsten Stelle" erhalten hat: Quelle ist eine Ansprache von Aiko Toyoda, Präsident der Toyota Motor Corporation und Nachfahre des Firmengründers, vor Nachwuchsmanagern. Gut herausgearbeitet wird dabei, dass es im Lean Management/TPS trotz aller Klischees nicht um Effizienzsteigerung um jeden Preis geht, sondern dass der eigene Mitarbeiter im Mittelpunkt steht, dem die eigene Arbeit möglichst leicht gemacht werden soll.

  • Kai-Marian Pukall: OKR: eine kritische Betrachtung

    Ein Artikel der aus mehreren Gründen lesenswert ist. Zum einen liefert Kai-Marian Pukall einen guten Überblick darüber um was es sich bei "Objectives and Key Results" (OKR) und ihrem Vorgänger "Management by Objectives and Self-Control" (MBO) überhaupt handelt, zum anderen zeigt er auf welche Schwachstellen dieser in den letzten Jahren stark gehypete Ansatz hat. Vor allem sind das für ihn die nur scheinbare unternehmensweite Transparenz (niemand wird sich ständig über die OKRs aller Teams informieren), die schlechte Messbarkeit vieler Ziele, das regelmässige obsolet Werden von OKRs durch geänderte Realitäten und das parallele Existieren verschiedener Ziele in jeder grösseren Organisation. Ein guter Kontrapunkt zum in den letzten Jahren etwas überhandnehmenden Hochjubeln .

  • Gary Hamel, Michele Zanini: Harnessing Everyday Genius

    Was Gary Hamel und Michele Zanini hier abliefern ist eine Fallstudie für eine grundlegende Veränderung einer Organisation. Am Beispiel des französischen Reifenherstellers Michelin und seinem "Responsabilisation"-Programm zeigen sie auf wie ein Wechsel weg von traditionellem Command & Control und hin zu Delegation und Subsidiarität ein Unternehmen wirtschaftlich erfolgreicher machen kann. Das Bemerkenswerte dabei - wenn man dem Artikel glauben kann wurde hier keines der üblichen Frameworks eingeführt und nicht einmal die üblichen Schlagworte Lean und Agile wurden benutzt. Wer sie kennt wird trotzdem einiges von ihnen wiederfinden, was ein starkes Zeichen dafür ist, dass es sich um grundlegende Prinzipien handelt.

  • Robert N. Charette: Inside the Hidden World of Legacy IT Systems

    Vor allem in grossen und älteren Firmen (im IT-Kontext alle Firmen die älter als 40 Jahre sind) gehören der Betrieb und die Weiterentwicklung von so genannter Legacy-Software zu den grössten Zeit- und Kostentreibern, aber auch viele jüngere Unternehmen haben bereits in erstaunlich kurzer Zeit erschütternd grosse Probleme mit veralteten Systemen. Robert Charette fasst gut zusammen was Legacy Software ist, welche Auswirkungen es hat sobald sie da ist aber auch wie man damit umgeht. In seinen Worten: "The first step in fixing a massive problem is to admit you have one." und "The best way to deal with legacy IT is to never let IT become legacy." Zuletzt findet sich am Ende des Artikels eine schöne Argumentationshilfe für die nächste Diskussion warum Ablösungsprogramme wichtig sind: eine Liste von Kostenexpolisionen und Systemausfällen die durch veraltete Software entstanden sind.

  • Cal Newport: The Rise and Fall of Getting Things Done

    Der finale Longread. Die Methoden "Getting Things Done" und "Inbox Zero" galten lange als das Nonplusultra der persönlichen Produktivität, sind aber mittlerweile weitgehend in Vergessenheit geraten. Cal Newport erzählt wie es zu Aufstieg und Fall dieser Methoden kam, von den Rahmenbedingungen in denen sie entstanden sind (mit Exkurs zum bereits weiter oben erwähnten Management by Objectives) über den grossen Hype bis hin zu Auswirkungen auf spätere Ansätze wie den in modernen Softwareentwicklungsteams üblichen WIP-Limits.

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