Freitag, 18. Dezember 2020

Red Queen-Hypothese

Bild: Wikimedia Commons / Marcjanna999 - CC BY-SA 4.0

Immer wieder kommt es vor, dass bei Menschen und Organisationen die Veränderungsmüdigkeit so gross wird, dass das vorübergehende Aussetzen aller Change-Vorhaben zu einer verlockenden Option wird. Der Grundgedanke: man kann doch zwischendurch für wenige Jahre alles so lassen wie es ist. Dadurch wird zwar nichts besser aber auch nichts schlechter, und danach kann die nächste Veränderungsmassnahme ausgeruht angegangen werden. Wäre das nicht ein gangbarer Weg?


Zumidest in komplexen Umfeldern kann die Antwort darauf nur "Leider nein" lauten. Natürlich kann man alle Veränderungsbemühungen zeitweise aussetzen, aber die Annahme, dass sich dadurch nichts verschlechtern würde ist eine Illusion. Die technischen, sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen werden weitergehen, egal ob einzelne Personen und Organisationen sich daran beteiligen wollen oder nicht. Und wer eine Auszeit nehmen will wird zwangsläufig in einen Rückstand geraten.


Eine Benennung für dieses Phänomen besteht bereits in einem anderen Fachgebiet, der Evolutionsbiologie. Entwickelt vom amerikanischen Biologen Leigh Van Valen besagt sie, dass Tierarten die sich nicht durch permanente Evolution weiterentwickeln mit grosser Wahrscheinlichkeit irgendwann aussterben, da ihre Umgebung durch deren ständige Veränderung irgendwann lebensfeindlich für sie werden wird.


Van Valen wählte für seine These den Namen Red Queen-Hypothese, angelehnt an die gleich beannte Figur aus Lewis Carrolls Alice Through the Looking-Glass, in deren Wettrennen nicht Fortbewegung das Ziel war sondern das Verbleiben am selben Platz. Genau wie Saul Rosenzweig in einem ähnlichen Fall ging er vermutlich davon aus, dass die Bekanntheit der Alice-Bücher dazu beitragen würde, dass die Leser seiner Veröffentlichungen seine Idee so besser im Gedächtnis behalten würden.


“Now, here, you see, it takes all the running you can do, to keep in the same place.“

Alice Through the Looking-Glass,The Red Queen during the Red Queen's race


Selbst wenn mittlerweile andere literarische Werke bekannter sind als die von Carroll könnte es trotzdem eine gute Idee sein an der Bekanntheit der Red Queen-Hypothese zu arbeiten. Sie macht einen komplexen Sachverhalt mit einer einfachen Analogie erklärbar und schlägt ausserdem den Bogen zwischen verschiedenen Wissensgebieten, wordurch erkennbar wird, dass es sich um ein übergreifendes Muster handelt. Und letztendlich sollte jedes Mittel willkommen sein mit dem man erklären kann, dass "für wenige Jahre alles so lassen wie es ist" keine sinnvolle Option ist.

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