Kommentierte Links (LXXXI)
Das Internet ist voll von Menschen die interessante, tiefgründige oder aus anderen Gründen lesenswerte Artikel schreiben. Viele dieser Texte landen bei mir, wo sie als „Food for Thought“ dazu beitragen, dass auch mir die Themen nicht ausgehen. Wie am Ende jedes Monats gibt es auch diesesmal wieder eine kommentierte Übersicht über die erwähnenswertesten.
Aus einem neuen Blickwinkel betrachtet kann sich die Absurdität scheinbar normaler Vorgänge offenbaren. Der den Jeff Gothelf hier einnimmt ist so einer, verbunden mit einem schönen neuen Begriff: der "Planungs-Saison". Die dahinter liegende Idee ist es, aufzuzeigen, dass es für Planungen (ähnlich wie für Erdbeeren, Ski-Urlaub oder Monsun-Stürme) eine bestimmte Jahreszeit gibt in der sie besonders häufig auftreten. Es sind die Wochen vor Weihnachten, in denen intensiv an Budgets, Feature-Wunschlisten, Zieldaten und ähnlichen Planungselementen gearbeitet wird. Während aber die anderen Saisons nachvollziehbare und kaum änderbare Ursachen in der Biologie, den Schulferien und der Metereologie haben ist die Entscheidung eine Planungs-Saison durchzuführen keineswegs zwangsläufig. Wäre nicht eine kontinuierliche Aktualisierung der Planungen viel sinnvoller für eine Welt in stetiger Bewegung?
Apropos neuer Blickwinkel: das was Brian Milner hier gelingt ist einer der seltenen neuen Blicke auf Scrum. Was er dabei entdeckt ist etwas was sich zwar aus dem offiziellen Regelwerk nicht ablesen lässt, was aber in der Realität häufig vorkommt und bei konsequenter Anwendung agiler Prinzipien extrem naheliegend ist - ein zweites Team in dem der Product Owner Mitglied ist, das Stakeholder-Team. Die Idee dahinter ist, dass die Stakeholder eines Scrum Teams ein gemeinsames Interesse haben (die Weiterentwicklung des gemeinsamen Produkts), einen gemeinsamen Ansprechpartner für dieses Interesse (den Product Owner) und einen gemeinsamen Arbeitszyklus, an dessen Ende ein gemeinsames Meeting steht (den Sprint, bzw. das Sprint Review). Das sind deutlich mehr Gemeinsamkeiten als viele andere Organisationseinheiten haben die sich Team nennen.
Das hier ist der etwas verquere Fall eines Artikels der irgendwie sein Thema verfehlt aber trotzdem interessant und erkenntnisreich ist. Was Stefan Kühl hier beschreibt ist Delegation von oben nach unten unter Vorbehalt. Mit anderen Worten: ein Vorgesetzter erlaubt es seinen Untergebenen über bestimmte Sachverhalte selbstorganisiert zu entscheiden, aber nur so lange bis er einen guten Grund hat diese Kompetenz wieder an sich zu ziehen. Der durchschlagendste dieser Gründe liegt dann vor, wenn er fürchten muss für die ausbleibenden oder nicht erwartungsgemässen Ergebnisse zur Verantwortung gezogen zu werden - sein Micro-Management erfolgt dann aus versuchtem Selbstschutz. Das alles ist hier anschaulich und eloquent beschrieben, allerdings mit einem etwas schrägen Twist. Der Vorgesetzte wird zu einem Teil der sich selbstorganisierenden Organisationseinheit erklärt, die damit auch im Fall des hierarchischen Durchgriffs als selbstorganisiert gilt. Nun ja. Wie Kühl selbst scheibt: jede und jeder kann Worte so bestimmen, wie sie oder er es möchte.
Eine nützliche Analogie die ich noch nicht kannte. Bill Wake vergleicht die Prozesse der Produktentwicklung mit denen in einem Restaurant. In ihm gibt es den vorderen Bereich, in dem Speisen und Getränke bestellt, aufgetischt, konsumiert und bezahlt werden und den hinteren Bereich in dem die Lagerung der Zutaten und ihre Zubereitung erfolgt. Das Besondere an diesem Vergleich ist, dass das Auftragen und Konsumieren im Vorderbereich in einer signifikant anderen Reihenfolge stattfinden kann als die Zubereitung im Hinterbereich. Je nach Bestellung muss die Zubereitungsreihenfolge sogar von der Konsumreihenfolge abweichen damit alles zum richtigen Zeitpunkt fertig ist. Wer seine Produkte ohne ein ständig wachsendes und Kapital bindendes Zwischenlager noch nicht benutzbarer Teilergebnisse erstellen möchte, der sollte sich an den Küchen ein Beispiel nehmen und seine Planung an der Integration der Einzelteile ausrichten statt am Auftragseingang.
Selbst die immer populärer werdende Heimarbeit hat nichts daran ändern können, dass der Post-It-Zettel die ikonische Manifestation agiler und leaner Arbeitsweisen ist. Sogar viele der gängigen Tools wie Miro oder Jira versuchen mit unterschiedlichem Erfolg sich an seine Funktionsweise anzulehnen. Clive Thompsons zählt einige Gründe dafür auf wie es zu diesem Status gekommen ist.