Montag, 5. September 2022

Innere Kündigung und Quiet Quitting

Bild: Unsplash / Bram Naus - Lizenz

Dass es Konzepte aus der deutschen Management- und Organisationswissenschaft in andere Sprachen schaffen ist mittlerweile selten geworden, es kommt aber noch immer vor. Das jüngste Beispiel dafür ist sogar aus den Filterblasen der Akademiker und Berater ausgebrochen und wird in den sozialen Medien intensiv diskutiert. Die Rede ist von der Inneren Kündigung, bzw. ihrer englischen Übersetzung, dem Quiet Quitting. Aber was verbirgt sich hinter diesem Begriff und wo kommt er her?


Namensgeber der Inneren Kündigung ist Reinhard Höhn, der Begründer des Harzburger Modells. Er definierte sie (u. a. in seinem Buch Die innere Kündigung im Unternehmen - Ursache, Folgen, Gegenmaßnahmen) als eine Arbeitseinstellung, bei der Eigeninitiative und Leistungsbereitschaft auf ein absolutes Minimum reduziert werden, da der Mitarbeiter aufgehört hat in seiner Tätigkeit Freude oder Erfüllung zu finden.


Die entscheidende Ursache ist für Höhn das Verhältnis zu den Kollegen in der Firma. Sobald dieses von fehlender Anerkennung, schlechter Zusammenarbeit, fehlender Kommunikation und ähnlichen Faktoren geprägt ist steigt das Risiko, dass es zu einem Rückzug in die Passivität kommt. Derartige Beziehungsprobleme können überall auftreten - sowohl gleichrangige Mitglieder der eigenen Abteilung als auch Vorgesetzte oder Untergebene können in die Innere Kündigung treiben.


Während das noch sofort eingängig ist sind andere Zusammenhänge erst bei genauerer Betrachtung zu erkennen. Für Höhn gehörte dazu vor allem ein im Unternehmen verbreiteter Pessimismus. Sobald (berechtigt oder unberechtigt) die Meinung vorherrscht, dass alle Anstrengungen wirkungslos und alle Verbesserungsversuche zum Scheitern verurteilt sind kommt es auch hier zu Inneren Kündigung (da kollektiver Pessimismus durch soziale Interaktion entsteht ist auch das ein Beziehungsproblem).


Die offensichtliche Folge ist, dass der Firma die Arbeitskraft und Kreativität des innerlich Kündigenden entzogen werden. So lange es sich um Einzelfälle handelt hat das "nur" sozialen Unfrieden zur Folge, da es zu einer ungleichen Arbeitsverteilung kommt. Wenn grosse Teile der Belegschaft in die Passivität abrutschen können die Auswirkungen schwerer sein, bis zu dem was Höhn "Kreativitätskonkurs" nennt - die Organisation kann dann nicht mehr mit neuen oder schwierigen Herausforderungen umgehen.


In das Englische wurde der Begriff ursprünglich als Employee Disengagement übernommen, war in dieser Form aber weitgehend auf die Betriebs- und Personalwirtschaft beschränkt. Das wesentlich griffigere Quiet Quitting entstand dagegen erst 2022 als Reaktion auf die "Hustle Culture" vieler amerikanischer Unternehmen, d.h. die Anforderung zu ständiger Erreichbarkeit und zu Überstunden bereit zu sein. In vielen Berichten wird Quiet Quitting als Abwehrmassnahme gegen diese Kultur beschrieben.


Sowohl daraus als auch aus den Untersuchungen von Reinhard Höhn lässt sich das Selbe mitnehmen: Unternehmen die ihre Angestellten gut behandeln und darauf achten, dass diese auch untereinander eine gute Arbeitskultur entwickeln müssen sich wegen Innerer Kündigung / Quiet Quitting keine Sorgen machen. Die anderen schon - aber die sind daran selber schuld.

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