Montag, 26. Dezember 2022

Wie der Staat wieder handlungsfähig wird

Bild: Pixabay / Borevina - Lizenz

Wenn es etwas gibt, das als Inbegriff von fehlender Agilität gilt, dann ist es die staatliche Verwaltung. Warum diese Betrachtung etwas zu einseitig ist habe ich bereits an anderer Stelle aufgeschrieben, im Grossen und Ganzen ist es aber leider so, dass Schwerfälligkeit und Langsamkeit in vielen Behörden vorherrschen. Umso interessanter ist ein aktueller Fall, der zeigt, dass auch dort wo bisher die Bürokratie dominierte erstaunliche Verbesserungen möglich sind.


Die Rede ist von dem Bau des Flüssiggas-Terminals in Wilhelmshaven, dessen beschleunigte Genehmigung und Erstellung in einem Artikel der Zeit beschrieben wird. Das Ausmass dieser Beschleunigung wird bereits durch das Nebeneinanderhalten der Zeiträume deutlich: normalerweise wird bei Vorhaben dieser Art von acht Jahren (!) ausgegangen, in diesem Fall waren dagegen für die gesamte Zeit von Beschlussfassung bis Inbetriebnahme nur 10 Monate nötig.


Der grösste Zeitgewinn ist dabei offensichtlich in der Genehmigungsphase erzielt worden, alleine die scheint im Normalfall bis zu sechs Jahre (!) zu dauern. Die bemerkenswert einfache Lösung: einmal pro Woche hat ein gemeinsamer Call aller an der Genehmigung beteiligten Behörden stattgefunden, in dem geklärt wurde wer als nächstes was an wen zuzuliefern hat. Diese direkte Abstimmung hat schnell Ergebnisse geliefert, für die es sonst einen wochenlangen Schriftverkehr gebraucht hätte.


Dass diese Runden stattfinden konnten und arbeitfähig waren wurde durch eine weitere bemerkenswert einfache Massnahme möglich: realistische Personalplanung. Statt unterbesetzte Dienststellen mit Arbeit zu überhäufen und darauf zu hoffen, dass es irgendwie gut geht wurde darauf geachtet, dass ausreichende Arbeitskapazitäten verfügbar gemacht wurden um die anstehenden Aufgaben zu erledigen. Ein für Grossorganisationen keineswegs selbstverständliches Vorgehen.


Etwas komplizierter war der Umgang mit anderen Ressourcen: den Baustoffen (vor allem Stahl). Statt den klassischen Weg zu gehen, zuerst einen Plan zu erstellen und dann nach den in ihm vorgesehenen Baustoffen zu suchen (die in diesem Moment ggf. nicht verfügbar wären), wurden nach einer ersten Grobschätzung zuerst die Baustoffe gekauft um dann erst basierend auf deren Verfügbarkeit die Baupläne zu erstellen. So konnten die Bauarbeiten direkt beginnen.


Eine zusätzliche Beschleunigungsmassnahme war die Aufhebung der strikten Sequenzialität aller Vorgänge. Dort wo die Erteilung von Genehmigungen absehbar war wurde bereits mit der Umsetzung begonnen, die offiziellen Freigaben wurden nachgeliefert wenn sie fertig waren. Verbunden war das allerdings mit der Vorgabe im eventuellen Fall einer doch verwehrten Genehmigung alles bis dahin Gebaute wieder rückgängig zu machen.


Die Bereitschaft sich darauf einzulassen war auch Teil von etwas Grösserem: der Einsicht, dass sich nicht alles vorhersagen und planen lässt, und dass es deswegen zu Kostensteigerungen kommen kann die dann zu tragen sind. Diese Einsicht steht in deutlichem Gegensatz zur in Grossvorhaben üblichen Praxis Kostensteigerungen mit Sparmassnahmen an anderen Stellen kompensieren zu wollen, die meistens zu schlechteren (und langfristig sogar teureren) Ergebnissen führen.


Zuletzt kamen noch kleinere Massnahmen dazu, etwa verkürzte Fristen für die öffentliche Auslegung der Pläne. In Kombination haben alle diese Massnahmen dazu geführt, dass ein Grossprojekt in nur einem Zehntel der Zeit umgesetzt werden konnte die sonst für vergleichbare Vorhaben notwendig ist. Das Beispiel des Flüssiggas-Terminals in Wilhelmshaven zeigt, dass auch staatliche Grossprojekte schnell und unbürokratisch realisiert werden können, wenn es denn gewollt ist.


Die Frage die bleibt - wenn das einmal möglich war, warum nicht öfter so?

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