Freitag, 15. Dezember 2023

The Agile Bookshelf: Wild West to Agile

Die vermutlich treffendste Würdigung von Jim Highsmiths Buch Wild West to Agile: Adventures in software development evolution and revolution steht in einer der in ihm abgedruckten Rezensionen: Highsmitsch scheint der Forrest Gump der Softwareentwicklung zu sein - überall dort wo es neue und spannende Entwicklungen gab ist er irgendwie beteiligt gewesen, und das von den siebziger Jahren bis in die Gegenwart.


Dieser bemerkenswerte Werdegang, der neben vielen anderen Stationen unter anderem eine Anstellung im Apollo-Programm, Qualitätsmanagement bei Microsoft und eine Beteiligung an der Entstehung des Manifests für agile Softwareentwicklung umfasste, macht es möglich, zwei Literaturformen zu kombinieren: Highsmiths Buch ist gleichzeitig eine Autobiografie und ein Werk über die Technik- und Management-Geschichte der letzten Jahrzehnte.


Was in seinem Werk erkennbar wird, ist wie die verschiedenen Entwicklungs- und Management-Ansätze dadurch entstanden sind, dass sie auf die jeweils vorherigen reagieren: auf die autodidaktisch-chaotische Wild West-Phase zu Beginn folgt der Versuch, Sicherheit und Ordnung durch Regeln und Prozesse zu erzeugen, die dadurch entstehende Unflexibilität führte wiederum zu Gegenbewegungen, die dann 2001 im agilen Manifest unter dem Label "Agile" zusammengefasst wurden.


Diese begriffliche Zusammenführung von 2001 wird in Wild West to Agile als derartig zentrale Zäsur gesehen, dass sie die "agile Ära" in zwei Teile trennt: die "Roots of Agile"-Phase von 1990 bis 2001, in der Ansätze wie scrum, XP, ASD, DSDM und Crystal nach und nach entwickelt wurden und die eigentliche agile Phase ab 2002, in der sich die ursprünglich teambasierten Ansätze nach und nach auf die Ebene des Gesamtunternehmens ausbreiteten.


Angereichert wird diese Übersicht durch zahlreiche selbst erlebte Anekdoten, Fallstudien verschiedener Unternehmen und unbekannte, bzw. vergessene Hintergrund-Informationen, wie z.B. die in den 70ern ernsthaft diskutierte Frage, des Gewichts von Software oder die Erwähnung, dass die Entstehung des Agilen Manifests 2001 in Snowbird, Utah kein Heureka-Moment war, sondern u.a. auf ein vergleichbares Treffen aufbaute, dass ein Jahr zuvor in Rogue River, Oregon stattgefunden hatte.


Allen, die sich für Hintergründe und zugrundeliege Muster von Software-Entwicklung und Agilität interessieren, denen reine Fachbücher aber zu trocken sind, kann man Jim Highsmiths Buch empfehlen, besonders wenn man seiner abschliessenden Prognose zustimmt: er ist überzeugt davon, dass die Gründe wegen denen die agilen Frameworks entwickelt wurden, noch immer bestehen, und dass die agile Bewegung aufgrunddessen noch lange weitergehen wird.

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