Montag, 18. Dezember 2023

SpotiSAFe

Irgendwann zwischen 2015 und 2020 hat ein zunächst merkwürdig anmutender Trend begonnen. Waren die Berichte aus den agilen Methoden-Implementierungen grosser Konzerne bis dahin entweder von den Buzzwords aus SAFe oder denen aus dem Spotify Model durchsetzt, gab es ab diesem Zeitraum plötzlich viele, in denen beides vermischt wurde. Tatsächlich taucht seitdem in immer mehr Unternehmen ein Hybrid aus beiden Ansätzen auf, häufig als "SpotiSAFe" bezeichnet.1


Um zu verstehen wie es dazu gekommen ist, muss man sich eine Besonderheit von SAFe vor Augen halten: als einziges agiles Framework gestaltet es auch die Budgetierung um. Während klassische projektorientierte Organisationen Pools gleichartiger Spezialisten finanzieren (Entwickler, UX-Designer, etc.), von denen die Projekte ihre Teammitglieder "mieten" müssen,2 geht das SAFe Lean Portfolio Management einen anderen Weg und budgetiert die Value Stream-basierten Release Trains direkt.


Wenn eine Organisation aber ihre Matrix-Organisation aus Spezialisten-Pools und Projekt-/Produktteams beibehalten will, sei es aus schlechten Gründen (haben wir schon immer so gemacht) oder aus guten (zur Förderung fachlicher Exzellenz oder zur Ermöglichung langfristiger Personalentwicklung über mehrere Projekte hinweg), dann muss sie SAFe an dieser Stelle anpassen. Wenn aber vorgegeben ist, "dass alles agil werden soll"3 braucht es in diesem Fall auch eine "agile Variante der Matrix-Organisation".4


Und an dieser Stelle kommt das Spotify Model ins Spiel, dass ja nichts anderes als eine derartige Matrix ist. Die Spezialisten-Pools heissen in ihm Chapter und die "entleihenden" Einheiten sind die "Squad" genannten Teams, bzw. die aus mehreren Squads bestehenden Tribes. Dadurch, dass diese Chapter jetzt auch in SAFe eingeführt werden, so dass die Release Trains aus ihnen ihre Mitglieder beziehen können, entsteht auch dort eine Matrix-Organisation in Form von SpotiSAFe.


Je nachdem wie weit die "Spotifyisierung" von SAFe getrieben werden soll können auch noch weitere Elemente aus SAFe nach vergleichbaren Einheiten aus dem Spotify Model umbenannt werden, so dass z.B. aus den Teams die Squads werden, aus den Release Trains die Tribes und aus den Communities of Practice die Gilden. Der zentrale Punkt bleibt aber die Kombination von SAFe und Matrix-Organisation (mit irgendwie "agil klingenden" Namen).


Das ist es also, das SpotiSAFe Model, das seit etwa einem Jahrzehnt von den McKinseys, Boston Consultings und anderen Beratungen in einem Konzern nach dem anderen eingeführt wird. Es zu bewerten ist nicht eindeutig möglich, wie oben gesagt gibt es sowohl gute als auch schlechte Gründe für eine Beibehaltung eines Matrix-Aufbaus. Wie immer gilt also auch hier, dass es auf den jeweiligen Einzelfall ankommt - und darauf, wie gut man "agile Buzzwords" verträgt.5



1Die früheste Erwähnung dieses Begriffs die ich gefunden habe war 2016 im Blog Agile Mouse
2Mit dem Customer-Vendor-Antipattern als häufiger Folge
3Die Sinnhaftigkeit einer solchen Vorgabe wäre nochmal ein Thema für sich
4Bevor einer schreit: das steht da nicht ohne Grund in Anführungsstrichen
5Wer SAFe oder das Spotify Model oder beides ohnehin doof findet, wird natürlich aus SPotiSAFe doof finden

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