Montag, 16. Juni 2025

Der Überbau von OKRs

Für sich genommen klingt die Idee der Objectives and Key Results (OKRs) einfach. Man setzt ein abstraktes, mittelfristiges Objective (z.B. Erschliessung eines neuen Kundensegments im nächsten Quartal) und verbindet es mit wenigen messbaren Key Results (z.B. X Nutzer nach dem ersten Monat, Y Wachstumsrate im 2. Monat, Z Prozent Verlängerungen nach der Probezeit). Eine Herausforderung, die dadurch entsteht ist aber die Verbindung der OKRs mit der übergreifenden Unternehmensstrategie.

 

Um klarer zu machen warum das eine Herausforderung ist: eine übergreifende Strategie setzt sich zusammen aus Entscheidungen, auf welche Märkte, Produkte, Preissegmente und Produktionsprozesse sich ein Unternehmen in der länger- und langfristigen Zukunft konzentrieren will, was in der Regel einen Zeithorizont von Jahren oder sogar Jahrzehnten bedeutet. Zwischen einer solchen auf Jahre ausgerichteten Strategie und den nur wenige Monate umfassenden OKR-Zyklen klafft eine Lücke.

 

Versucht man diese Lücke zu schliessen entsteht die nächste Herausforderung: so wie OKRs gedacht sind, sollten die Objectives keine bereits lange im Voraus festestehenden Teile eines Work Breakdown aus einem Strategie-Umsetzungsplan sein, sondern noch kurz vor jedem Zyklus verfasst oder angepasst werden können. Das Ziel sollte also sein, eine Verbindung zwischen Strategie und OKRs zu schaffen, die zwar für eine übergreifende Ausrichtung sorgt, dabei aber möglichst wenig einengend ist.

 

Wie das im Einzelfall aussehen kann hängt vom jeweiligen Kontext ab. Wenn der z.B. eher von Product Discovery geprägt ist, also von einer Neu- oder Weiterentwicklung mit schnellen Feedback-Zyklen, kann es Sinn machen, Outcome-orientierte längerfristige Ziele zu formulieren (z.B. "langfristige Power User werden für ihre Treue belohnt"), ohne vorzugeben, durch welche Massnahmen, mit welcher Belohnung oder oder in welchen Systemen das erreicht werden soll.

 

Wenn es dagehen eher um die kontinuierliche Optimierung etablierter Produkte oder Services geht, kann es ein guter Weg sein, North Star-Metriken zu definieren (z.B. je nach Produkt Anzahl der Buchungen, Interaktionsraten, Nutzungsdauern, etc) und deren dauerhafte und langfristige Optimierung anzustreben, auch hier ohne eine länger im Voraus verfasste Vorgabe, wie das stattzufinden hat. Und natürlich gibt es neben diesen beiden Kontexten noch viele weitere mögliche.

 

Da es auch im Umfeld der OKRs zur Entwicklung einer eigenen Fachsprache gekommen ist, gibt es auch für diese Verbindungselemente zwischen Strategie und Objectives einen eigenständigen Namen. Man spricht von "Moals",  wobei es sich um eine Abkürzung für "mid-term Goals" handelt, also um mittelfristige Ziele im Sinn von Jahreszielen, o.Ä. Wie immer im Fall solcher Begriffe kann man sich auch bei diesem über Sinnhaftigkeit und Originalität streiten, zumindest ist er aber OKR-spezifisch.

 

Ob man den Begriff benutzt oder nicht ist am Ende auch relativ egal, viel wichtiger ist, dass die Lücke zwischen Strategie und OKRs überhaupt geschlossen wird. Und eine letzte wichtige Faustregel kann man sich merken: immer wenn versucht wird, Prozesse und Formate rund um diese Verbindungsschicht vorzugeben (formalisierte Moal Plannings, zu befogende Moal Templates, etc) hat das nicht mehr viel mit der ursprünglichen Idee der OKRs zu tun, sondern ist Teil des agil-industriellen Komplexes.

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