Donnerstag, 19. Juni 2025

How agile crossed the chasm

Grafik: Wikimedia Commons / Craig Chelius - CC BY 3.0

Die Geschichte der Agilität ist voller Missverständnisse, besonders dann wenn es darum geht, wie das, was wir heute die agile Bewegung nennen, entstanden ist. Das liegt zum Teil einfach daran, dass die "agiler Vor- und Frühgeschichte" der 80er und 90er Jahre mittlerweile schon etwas länger her ist, zum anderen aber auch daran, dass sie sich zu Beginn in den Schatten abgespielt hat, ohne Namen und ohne Bekanntheit. Und an dieser Stelle wird es interessant.


Bevor wir dazu kommen aber kurz zu den beiden verbreitetsten Missverständnissen über die Entstehung des agilen Produkt- oder Projektmanagements: das erste ist, dass sie 2001 in Snowbird, Utah entstanden sind, als dort das Manifest für agile Softwareentwicklung verfasst wurde. Das zweite erkennt zwar an, dass Frameworks wie Scrum, Crystal und XP deutlich älter sind als das Manifest, geht aber davon aus, dass ihre Erfinder erst in Snowbird ihre Gemeinsamkeiten erkannten (und einen Namen dafür suchten).


Dass die Wahrheit nochmal anders geartet war, kann man im Podcast The Pragmatic Engineer erfahren, genauer gesagt in der Episode TDD, AI agents and coding, in der Kent Beck zu Gast ist, der Erfinder von XP (Extreme Programming) und der erste Unterzeichner des agilen Manifests. Neben XP-Praktiken und seinen Erfahrungen mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz teilt er auch Geschichten rund um die Verfassung des besagten Manifests, unter anderem, das dieses einem bestimmten Zweck diente.


Und damit kommen wir zurück zur Zeit, in der die agile Bewegung keinen Namen und keine Bekanntheit hatten, denn laut Beck sollte die Zusammenkunft in Snowbird genau das ändern. Es war nämlich kein gegenseitiges Kennenlernen, das dort stattfand (fast alle Beteiligten kannten sich bereits) und auch kein Erarbeiten von Gemeinsamkeiten (das war bereits früher passiert, u.a. bei einer gemeinsamen Hurtigruten-Kreuzfahrt einiger Teilnehmer). Es ging um Marketing und Brand Building.


Die angehenden Verfasser des agilen Manifests waren sich bewusst, dass sie bereits über eine kleine aber treue Gruppe von Anhängern verfügten, der Grossteil ihrer Zielgruppe (Software-Entwickler und IT-Manager) aber noch nicht bereit war, sich auf die neuen Arbeitsweisen einzulassen. In Anlehnung an das Technology Adaption-Modell aus dem Buch Crossing the Chasm suchten sie nach einem Weg, um die Lücke zwischen den ersten Anhängern und der Mehrheit der Anwender zu überwinden.


"Agile" oder die anderen in Snowbird erwogenen Namen, wie "Adaptive" oder "Lightweight" waren bewusst gedacht als einfache, attraktive und wirkmächtige "Dachmarken", mit deren Hilfe es einfacher werden sollte, die verschiedenen dahinterstehenden Frameworks bekannt und populär zu machen und so dafür zu sorgen, dass möglichst viele Softwareentwickler zu deren Anwendern werden konnten, wollten und in ihren Firmen auch durften.


Die Ironie dieser Geschichte liegt darin, dass der gewählte Vermarktungsansatz am Ende zu erfolgreich war - zumindest in der rückwirkenden Betrachtung von Kent Beck. Dadurch, dass fast ausschliesslich die positiven Effekte im Mittelpunkt der Aussendarstellung standen, wollten plötzlich auch Menschen und Organisationen dieses Label tragen, die die notwendigen Kriterien gar nicht erfüllten. Hierin liegt sicherlich einer der Ursprünge von Cargo Cult Agile und dem agil-industriellen Komplex.


Wie es besser gegangen wäre hat im Übrigen ebenfalls Kent Beck gezeigt, und auch darüber berichtet er im Pragmatic Engineer-Podcast. Für sein eigenes Framework Extreme Programming hat er einen Namen gefunden, der einerseits gut vermarktbar ist, andererseits aber klar macht, dass es anspruchsvoll und anstrengend sein kann, so zu arbeiten. Man kann lange darüber spekulieren, welchen Weg die agile Bewegung wohl gegangen wäre, wenn man sie auf diese Weise vermarktet hätte.

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