Montag, 9. Juni 2025

Agile Success Stories: ein wirklich crossfunktionales Team

Bild: Pexels / Ketut SubiyantoLizenz

Dass viele "agile Methodiker" (Agile Coaches, Scrum Master, etc.) mit der Zeit eine eher negative Weltsicht entwickeln ist schade, aber erklärbar. Wer sich ständig mit dem Beseitigen von Impediments und dem Kampf gegen Change Fatigue, Overcompliance und Konzern-Trolle beschäftigen muss, kann leicht zynisch und sarkastisch werden. Um nicht selbst irgendwann so zu enden, möchte ich dagegenhalten, indem ich ab und zu selbst erlebte "agile Erfolgsgeschichten" veröffentliche.


Am Anfang von dieser hier stand wie so oft ein Frustrationserlebnis. Eine grosse Firma, bei der ich im Einsatz war, hatte sich in einem Pilotprojekt auf die Idee crossfunktionaler Entwicklungsteams eingelassen, in der Hoffnung, dadurch die alles verzögernden Warte- und Übergabephasen zwischen den bisherigen Spezialistenteams deutlich verkürzen zu können. Bis zu einem gewissen Grad war das auch eingetreten, allerdings bei Weitem nicht in dem von allen erhofften Ausmass.


Eine Untersuchung der betroffenen Einheiten und Prozesse konnte dann klar aufzeigen, woran das lag: das Team war nur crossfunktional innterhalb der Softwareentwicklung (Frontend, Backend, Data Science, UX), was aber bei weitem nicht alle Arbeitsschritte abdeckte. Das Produkt (ein Kundenservice-Chatbot) musste nach der Entwicklung noch zur Fachabteilung, um von der mit Daten versorgt und trainiert zu werden, um dann von der Rechtsabteilung freigegeben zu werden. Hier entstanden weiter Wartezeiten.

 

Auch Mitglieder dieser beiden Abteilungen in das crossfunktionale Teams aufzunehmen war die offensichtliche Lösung, führte aber zu Beginn zu heftigen Abwehrreaktionen; dafür gäbe doch gar nicht genug Zeit, und es gäbe zu viel Anderes zu tun, das wichtig wäre. Auch hier führte eine Nachforschung schnell zu einer Identifikation des eigentlichen Problems: die betroffenen Kollegen waren stark überplant und hatten nur wenige Stunden pro Woche für das Pilotprojekt zur Verfügung - deutlich zu wenig.

 

Es brauchte mehrere Wochen und Eskalationen bis ins Top-Management um dieses Problem zu lösen, aber am Ende stand ein deutlich besseres Setup. Aus der Fachabteilung wurden mehrere Mitarbeiter für vier Tage pro Woche exklusiv für das Projekt freigestellt, aus der Rechtsabteilung immerhin ein Kollege für drei halbe Tage pro Woche. Damit konnten sie in das jetzt wirklich crossfunktionale Team eingegliedert werden, an dessen Meetings teilnehmen und eng mit den anderen Teammitgliedern zusammenarbeiten.

 

Durch diese Neuorganisation trat dann endlich die angestrebte Beschleunigung ein. Durch die täglichen Abstimmungen war jetzt jederzeit klar, wann die Übergaben zwischen den Teilteams stattfinden würden, und durch die realistischere Kapazitätsplanung konnten sie auch fast immer sofort stattfinden. Die Durchschnittlsdauer der Warte- und Übergabephasen sank von Tagen und Wochen auf Stunden (und als Nebeneffekt konnten die Meetings entfallen, in denen die zu übergebende Arbeit verwaltet wurde).

 

Natürlich gab es noch weitere positive Effekte dieses Vorgehens, z.B. die oben erwähnte Aufdeckung der strukturellen Überplanung vieler Mitarbeiter, da schnellere Durchlaufzeiten durch crossfunktionalere Teams aber das Hauptziel der Umstellung auf agiles Arbeiten waren, steht auch das hier im Focus dieser "agilen Erfolgsgeschichte". Und darüber hinaus ist es ein gutes Beispiel dafür, wie weit wirkliche Crossfunktionalität gehen kann.

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