Dienstag, 28. Oktober 2025

Master

Eigentlich sind Projekt- oder Produktmanagement-Methoden per se unpolitisch, da sie (bzw. ihre Anwender) aber Teil der Gesellschaft sind, schwappen gesellschaftliche Debatten aber immer wieder herüber in den Methodendiskurs. Eine dieser Debatten dreht sich um den vielleicht bekanntesten Titel aller agilen Frameworks, den Scrum Master oder Agile Master, der in Scrum, SAFe, LeSS, Disciplined Agile und ähnlichen Ansätzen eine zentrale Rolle spielt. Aber worum geht es dabei?


Im Englischen hat der Begriff des "Master" eine Dimension, die der deutsche "Meister" nicht hat, nämlich die des Sklavenhalters (siehe hier), die sich in sprichwörtlichen Gegensatzpaaren wie Master and Slave oder Master and Servant bis heute gehalten hat. Seit mehr als zehn Jahren wird daher darüber diskutiert, ob der Scrum Master nicht bedenkliche Stereotype reproduziert und abgeschafft werden sollte (siehe beispielsweise hier, hier, hier, hier und hier).


Wichtig für das Verständnis dieser Debatte ist, dass es in der IT tatsächlich Begriffe gibt, die einen derartig problematischen Hintergrund haben. Am bekanntesten dürfte die Verwendung von Master und Slave für steuernde und gesteuerte Systeme sein, ebenfalls verbreitet sind "Whitelist" und "Blacklist" für gewährte und verwehrte Systemzugänge. Diese Verwendungen werden von immer mehr Firmen zugunsten neutralerer Benennungen aufgegeben (siehe hier).


Das in Frage stellen des Scrum Master- bzw. Agile Master-Titels ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Er tritt im Arbeitsalltag sehr häufig zusammen mit den gerade genannten problematischen Benennungen auf, wird deshalb mitunter auf die selben Hintergründe zurückgeführt und deshalb gemeinsam mit ihnen in Frage gestellt. Die Frage, die sich aufbauend darauf stellt: ist der Ursprung tatsächlich der Gleiche, oder ist es eher ein anderer, weniger problematischer?


Um diese Frage zu beantworten wären Aussagen von Ken Schwaber und Jeff Sutherland, den Erfindern der Scrum Master-Rolle am besten geeignet, die sich allerdings online nicht auffinden lassen. Was es dagegen gibt, sind Sekundärquellen auf Scrum.org, der von Schwaber gegründeten Zertifizierungs-Organisation, die dort wohl kaum stehen bleiben würden, wenn sie ihm Falschaussagen unterstellen würden. Und aus ihnen ergibt sich eine andere Herkunftsgeschichte (siehe hier und hier).


Der Ursprung des Rollen-Titels ist ihnen zufolge, dass das für die Methodik zuständige Teammitglied diese in allen wesentlichen Aspekten kennen und beherrschen sollte. Bewusst wird dabei von Schwaber und Sutherland die Parallele zum Handwerks-Meister (genauer gesagt zum Master Carpenter, also zum Schreinermeister) gezogen, der zuerst sein Können über längere Zeit unter Beweis stellen musste, bevor er diesen Titel führen durfte.


Der Entstehungshintergrund ist damit ein völlig anderer als bei den oben genannten Master/Slave oder Whitelist/Blacklist-Begriffspaaren. Er entspricht eher dem Status der aus langer Übung errungenen Meisterschaft, der auch im Englischen eine positive Bedeutung hat und neben dem Handwerksmeister z.B. auch im Schachgrossmeister (Grand Master of Chess) oder in dem (fiktiven) Jedi-Meister aus den Star Wars-Filmen gefunden werden kann.


Dieser Hintergrund in der Ausübungs-Meisterschaft bedeutet übrigens ganz nebenbei auch, dass eine solche Rolle eigentlich nicht geeignet ist, von Berufs- oder Quereinsteigern ausgeübt zu werden. Das aber ist nochmal ein ganz eigenes Thema.

Related Articles