Montag, 13. März 2023

Der agile Unterhosen-Plan

Grafiken: Freepik / Pikisuperstar - License

Eine der beissendsten Persiflagen von nicht fertig durchdachtem Vorgehen findet man in der Fernsehserie South Park, in der Folge Gnomes. Auf der Suche nach ihren verschwundenen Unterhosen entdecken die Hauptfiguren hier eine Gruppe Gnome, die einen grossen, dreistufigen Plan verfolgen. Stufe eins ist das Stehlen der Unterhosen, Stufe drei ist geschäftlicher Erfolg, wie die verbindende Stufe zwei aussehen soll, ist noch unklar. Obwohl diese Lücke allen bewusst ist, wird der Plan weiter verfolgt.


Da Angestellte von Grossorganisationen in dem Unterhosen-Plan die Unsinnigkeit vieler Vorgänge ihrer eigenen Umgebung wiedererkennen, ist er mit der Zeit zu einem Meme geworden, dessen häufige Zitierung ein starker Indikator dafür ist, dass in einem aktuell vorangetriebenen Vorhaben keine Verbindung zwischen den aktuellen Massnahmen und dem angestrebten Ziel erkennbar ist. Auch in agilen Transitionsprogrammen findet das immer wieder statt, und zwar vor allem in einer Konstellation.


Ein "agiler Unterhosen-Plan" liegt regelmässig dann vor, wenn zu Beginn ausführlich (und gegebenenfalls ausschliesslich) daran gearbeitet wird das Mindset der Mitarbeiter zu verändern, so dass ein "agiles Mindset" entsteht. Selbst wenn wir jetzt nicht näher auf die Frage eingehen ob man das Mindset anderer Menschen überhaupt ändern kann (zweifelhaft) und unterstellen, dass alle das Selbe darunter verstehen (auch zweifelhaft) - wie das zu einer agilen Produktentwicklung führen soll bleibt fast immer offen.


Weist man auf diese Lücke hin bekommt man häufig die Erklärung, dass ein agiles Mindset alleine deshalb zu Verbesserungen führt, weil jeder der es hat sich automatisch besser verhält. Allerdings ist das wenn überhaupt nur in Kleinorganisationen richtig, in grösseren Organisationen sorgen organisatorische Silos, Überregulierung, Ressourcen-Überoptimierung, Customer-Vendor-Beziehungen, Code Ownership und ähnliche Phänomene dafür, dass man gar nicht beschliessen darf das eigene Verhalten zu ändern.


Diese Begrenzungen des eigenen Handlungsspielraums sind auch jedem klar, der in grösseren Organisationen arbeitet (man wird schliesslich regelmässig auf sie hingewiesen). Bemerkenswerterweise ändert das aber nichts daran, dass man trotzdem immer wieder auf die agilen Unterhosen-Pläne trifft, in denen davon ausgegangen wird, dass nach der Herstellung des agilen Mindsets schon irgendetwas noch Unbekanntes passieren wird, was dann die agile Transformation erfolgreich macht.


Eine naheliegende Erklärung dafür wäre Esoterik, was leider öfter man man denken sollte stimmt, aber in vielen Fällen zu kurz greifen dürfte. Wahrscheinlicher ist, dass den Beteiligten einfach nicht klar ist wie sonst Veränderungen Richtung Agilität funktionieren könnten. Change Management-Abteilungen stecken viel zu oft noch in sehr klassischen Ideen von Veränderungsbegleitung fest und auf den unteren Ebenen fehlen einfach Erfahrungen und Systemverständnis, da sie dort nie vermittelt wurden.


Das muss allerdings nicht so bleiben. Dem Change Management kann man die Ideen von iterativem, incrementellem und adaptivem Arbeiten näherbringen den unteren Hierarchie-Ebenen kann man erklären wie das Systemdesign bestimmte Verhaltensweisen möglich, wahrscheinlich oder unmöglich macht und an welchen Stellen es notwendig ist dieses Design zu verändern, wenn man mit einer individuellen Mindset-Getriebenheit nicht vor Wände laufen will.


Dort wo das stattgefunden hat und angenommen wurde, werden agile Unterhosen-Pläne deutlich seltener werden, und das alleine deshalb, weil ab diesem Moment das Arbeiten an dem Mindset der einzelnen Personen sicher nicht mehr die erste Phase von Veränderungsprogrammen sein wird. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird diese Idee sogar ganz verschwinden, samt der Lücke, die bis dahin in der folgenden Phase zwei geklafft hat.

Related Articles